Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
halten.«
»Das fürchte ich auch.«
»Aber, sehen Sie …« Ramsey spreizte die Hände. »Unsere Argumente sind überzeugender, wenn man die Struktur sieht …«
»Nein.« Heftig schüttelte Gordon den Kopf. »Ich bin sicher, man wird Ihnen auch allein auf Grund der Experimente glauben. Es ist nicht nötig, mich da reinzuziehen.«
Ramsey machte einen zweifelnden Eindruck. »Aber trotzdem ist es eine gute Arbeit.«
Gordon lächelte. »Lassen Sie sie weg! Lassen Sie mich weg, okay?«
»Wenn Sie’s sagen, sicher. Sicher«, entgegnete Ramsey und ging.
Für Gordon war das Gespräch mit Ramsey amüsant. Ein ferner Erinnerungsposten aus der realen Welt. Für Ramsey und Hussinger war die Veröffentlichung der kritische Schritt. Eine Pressekonferenz prägte ihr Siegel noch stärker auf die Arbeit. Aber Ramsey wusste, ohne Gordon wäre es gar nicht dazu gekommen, und dieser Gedanke quälte den Mann. Der richtige Weg wäre es gewesen, Gordons Zustimmung zu einer getrennten Veröffentlichung einzuholen und dann eine freundliche Dankadresse ans Ende des Aufsatzes zu stellen. Gordon erzählte Penny abends von dem Gespräch und merkte an, wie merkwürdig ihm der ganze Ablauf jetzt vorkam. Immerhin brachte er die Ergebnisse, die wissenschaftlicher Tätigkeit ihren Wert gaben; der öffentliche Applaus war nur ein geringes Randvergnügen. Menschen wurden Wissenschaftler, weil sie gerne Rätsel lösten und nicht, weil sie Preise gewinnen wollten. Penny nickte und meinte, dass sie Lakin ein wenig besser verstand. Er war ein Mann, der den Punkt schon überschritten hatte, an dem man etwas wirklich Grundlegendes fand; normalerweise lässt die wissenschaftliche Erfindungsgabe nach dem vierzigsten Lebensjahr nach. Deshalb klammerte Lakin sich jetzt an den Applaus, die sichtbaren Talismane des Erfolgs. Gordon nickte. »Ja«, sagte er, »Lakin ist ein Operator ohne reelle Eigenwerte.« Es handelte sich um einen verschrobenen Physikerwitz, den Penny nicht verstand, aber zum ersten Mal seit mehreren Tagen lachte Gordon.
»He, sind Sie immer noch hier?«, fragte Cooper von der Labortür her.
Gordon blickte vom Oszilloskop hoch. »Ja, ich versuche, ein paar neue Daten aufzunehmen.«
»Schon spät. Ich meine, ich habe nur noch mal reingeschaut, um ein paar Bücher zu holen, und das Licht gesehen. Sind Sie hier, seit ich zum Abendessen gegangen bin?«
»Hm, ja. Ich habe mir was aus dem Automaten geholt.«
»Huii, ein schlimmes Futter.«
»Allerdings«, sagte Gordon und wandte sich wieder den Geräten zu.
Cooper kam herbeigeschlendert und sah die Resonanzdiagramme auf dem Labortisch. »Sieht wie meine Sachen aus.«
»Ziemlich, ja.«
»Testen Sie Indium-Antimonid? Wissen Sie, Lakin hat mich gefragt, warum Sie so viel Zeit hier im Labor verbringen.«
»Warum fragt er mich nicht selbst?«
Ein Schulterzucken. »Ich will nicht …«
»Ich weiß.«
Nach ein paar neutralen Bemerkungen ging Cooper. Während der letzten Wochen war Gordon seinen normalen Pflichten nachgegangen und hatte dann die Abende damit verbracht, Daten aufzunehmen, zu lauschen und zu warten. In den Aufzeichnungen waren gelegentliche gelbe Zitterstreifen, aber kein Signal. Alles ging im Rauschen unter. Die Pumpen keuchten, die elektronischen Geräte gaben manchmal ein schrilles Ping von sich. Tachyonen , dachte er. Überlichtschnelle Teilchen. Es ergab keinen Sinn. Er hatte den Gedanken mit Wong, dem Teilchenphysiker, besprochen und die übliche Antwort erhalten: Sie verletzten das Gesetz der speziellen Relativität, und außerdem gab es keinen Beweis für sie. Tachyonen, die schneller durchs Universum glitten, als Gordons Augen ein Photon des bleichen wässrigen Laborlichts aufnahmen – so etwas sprach jeder Vernunft Hohn.
Dann kam es zu schwankenden Unterbrechungen der Resonanzkurven. Gordon hatte eine schnellere Methode zur Zusammenstellung der Kurven entwickelt und konnte die Morse-Teile fast sofort herausziehen.
BEDROHT OZEAN
Eine Sekunde später weitere Unterbrechungen:
CAMBRIDGE CAVENDISH LABO
Und dann verschwamm alles im Rauschen. Gordon nickte. Bei seiner einsamen, mönchischen Arbeit fühlte er sich wohl. Penny mochte seine langen Stunden hier nicht, aber das war ein zweitrangiges Problem. Sie verstand nicht, dass man manchmal beharrlich sein musste, bis die Welt sich offenbarte.
Als der Bildschirm hell wurde, legte er eine Pause ein. Er wanderte durch die stillen Flure des Physikgebäudes, um seine Schläfrigkeit abzuschütteln. Vor
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