Zeitspringer
die auch gewann. Aber wenn der Kandidat gewinnen konnte, gab es keine solche Quote. Das Universum ist nicht ungerecht, dachte Pomrath, es interessiert sich einfach nicht.
Er war auf Nummer Sicher gegangen, und sein Gewinn war entsprechend schmal ausgefallen: ein paar Wochen schöne Arbeit, viele Monate beschäftigungslos. Pomrath war ein guter Techniker. Er hatte seine Fähigkeiten, und sie entsprachen mindestens denen eines echten Arztes vor einigen Jahrhunderten. Heutzutage wurden echte Ärzte – es gab nicht viele – in Stufe Drei geführt, knapp unter den niedrigeren Rängen der Hohen Regierung. Pomrath dagegen, als bloßer Techniker, saß auf Stufe Vierzehn mit all ihren Nachteilen fest, und Fortschritte mit seiner Bewertungskurve konnte er nur erzielen, wenn sich seine Erfahrung steigerte, aber es gab keine Arbeit. Oder nicht sehr viel.
Was für eine Ironie! dachte er. Joe Quellen, der überhaupt nichts gelernt hat, ist ein großer Macher auf Stufe Sieben. Alleinwohnung, nichts geringeres. Und ich sitze doppelt so weit unten. Aber Quellen war Mitglied der Regierung – freilich nicht der Hohen Regierung, nicht bei der Gruppe der Leute, die entschieden; nur der Regierung –, also mußte Quellen Rang besitzen. Sie mußten einen Quellen einfach deshalb in eine der höheren Klassen stecken, damit er seine Autorität durchsetzen konnte. Pomrath kaute an einem zerfledderten Fingernagel und fragte sich, warum er nicht den Verstand besessen hatte, in den Staatsdienst zu gehen.
Er gab sich die Antwort selbst: Dort standen die Aussichten noch schlechter. Quellen hatte Glück gehabt. Vielleicht auch ein wenig Tüchtigkeit, räumte Pomrath widerwillig ein. Wenn ich in den Staatsdienst gegangen wäre, statt Mediziner zu werden, wäre ich heute vermutlich ein Angestellter Stufe Vierzehn mit regelmäßiger Arbeit, aber mit nicht mehr Vorteilen als jetzt. Das Universum ist nicht ungerecht, doch es kann manchmal schrecklich konsequent sein.
Pomrath war jetzt ganz vorgerückt.
Er stand einer blanken Aluminiumtafel gegenüber, die gut einen Quadratmeter groß war. In der Mitte war eine runde Scannerplatte aus genarbtem Glas eingelassen. Die Platte leuchtete grün, und Pomrath legte im alten, vertrauten Ritual die Hand darauf.
Mit der Stellungsmaschine brauchte man nicht zu reden. Sie wußte, weshalb Pomrath hier stand, wer er war und was ihn erwartete. Trotzdem sagte Pomrath mit seiner tiefen, heiseren Stimme: »Wie war’s denn mit ein bißchen Arbeit?« und drückte auf die Taste.
Er bekam seine Antwort rasch.
Irgend etwas in der Wand hinter der glänzenden Aluminiumtafel erzeugte ein surrendes, keckerndes Geräusch. Wahrscheinlich nur der Wirkung wegen, dachte Pomrath. Die Proleten sollten glauben, die Maschine leiste wirklich etwas. In der Tafel öffnete sich ein kleiner Schlitz, und ein Minizettel rollte heraus. Pomrath riß ihn ab und überflog ihn ohne sonderliches Interesse.
Der Streifen trug seinen Namen, seine Eignungsbeurteilung und den Rest des Ident-Kauderwelsches, das bei seiner Reise durch die Welt an ihm kleben blieb. Darunter stand in deutlich lesbarer Blockschrift das Urteil:
EINSTELLUNGSPROGNOSE DERZEIT UNGÜNSTIG. WIR INFORMIEREN SIE, SOBALD SICH GELEGENHEITEN FÜR SINNVOLLE BESCHÄFTIGUNG ENTWICKELN. WIR EMPFEHLEN DRINGEND GEDULD UND VERSTÄNDNIS. VORÜBERGEHENDE BELASTUNGEN VERHINDERN DIE VON DER HOHEN REGIERUNG ERSTREBTE VOLLBESCHÄFTIGUNG.
»Sehr bedauerlich«, murmelte Pomrath. »Herzliches Beileid der Hohen Regierung.« Er warf den Streifen in den Schlucker, drehte sich um und zwängte sich durch das Gedränge leidenschaftsloser Männer, die auf ihren Anteil an den schlechten Nachrichten warteten. Soviel zum Besuch bei der Stellungsmaschine.
»Wie spät ist es?« fragte er.
»Halb nach Sechzehn«, sagte seine Ohrenuhr.
»Ich glaube, ich gehe bei meinem gemütlichen Schnüffellokal vorbei. Hältst du das für eine gute Idee?«
Die Ohrenuhr war auf solche Dinge nicht programmiert. Für das doppelte Geld bekam man eine, die richtig mit einem redete und auch andere Dinge mitteilte als die genaue Uhrzeit. Pomrath war nicht der Meinung, daß ihm in diesen schweren Zeiten solcher Luxus zustand. Außerdem war er nicht so scharf auf Gesellschaft, daß er sich die Konversation einer Ohrenuhr ersehnt hätte. Immerhin, er wußte, daß es Leute gab, die sich von dergleichen trösten ließen.
Er trat hinaus in den blassen Sonnenschein des Frühlingsnachmittags.
Das Schnüffellokal, das er
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