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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Postwagen, der von vier Pferden gezogen wurde. Ich blickte über den Park zur Centre Street hinüber und erinnerte mich an ihr Aussehen, als ich sie zum letzten Mal gesehen hatte – wie sie aussehen würde, um genau zu sein. Wie die Fahrzeuge, die nun auf den Straßen zu sehen waren, durch die Automobile, die ihnen nachfolgten, ersetzt würden. Und so fügte ich auch diese in meine Zeichnung ein: die Autos, die großen Dieselbusse, die mächtigen Trucks, die diese wie alle anderen Straßen heutzutage in New York verpesten.
    Ich sah sie alle gleichzeitig, so als ob sie einander nicht folgten, sondern den von Pferden gezogenen Verkehr aus der Szene hinausdrängen würden.
    Ich ging weiter; dies hier war der Geschäfts- und Büroteil des Lower Broadway, das Gebiet, in dem Kate und ich arbeiteten. Ich überquerte die Straße und ging an der westlichen Mauer des riesigen, absurden Hauptpostamts entlang; mein Blick wanderte hinauf zu der Fahne auf der Kuppel, auf der die Aufschrift Post Office im Wind flatterte. Vor mir, südlich der mir gegenüberliegenden Seite der Ann Street, bemerkte ich, dass jeder, der hier vorbeikam, einen Blick in ein zwei Meter hohes, sehr schmales Wachhäuschen mit Giebeldach warf. Es stand am Bordstein vor einem Drugstore im Herald Building, der sich Hudnut’s Pharmacy nannte; auch ich sah hinein. Dort drinnen hing ein großes Thermometer, das größte, das ich jemals gesehen hatte. Es war durch das Häuschen vor starkem Wind geschützt. Die Temperatur betrug acht Grad minus; es freute mich, die exakte Temperatur zu wissen, da ich mich hier wesentlich mehr für das Wetter interessierte als bei uns.
    Im hellen Tageslicht viel mir auch etwas auf, das Kate und ich in der Dunkelheit nicht gesehen hatten: das unglaubliche Chaos der Telegrafendrähte. Wie ein Mondsüchtiger ging ich einen halben Block entlang und starrte hinauf in den grauen Winterhimmel, der, so schien es zumindest, von Tausenden von Telegrafendrähten durchzogen war, die an beiden Seiten der Straße entlangliefen und sie bündelweise überquerten; ein erstaunliches Durcheinander. Alle paar Meter erhoben sich auf dem Gehweg hölzerne Telegrafenmasten, einige von ihnen – ich blieb stehen und zählte sie – besaßen bis zu vierzehn Querbalken, die schwer mit Drähten beladen waren. Alle Masten waren, wie ich bemerkte, mit den Namen der jeweiligen – miteinander konkurrierenden – Gesellschaften markiert, die sie dort aufgestellt hatten.
    Hier war der Verkehr nun sehr dicht, die Wagen rumpelten und holperten über das Kopfsteinpflaster. Der Broadway war nicht im wörtlichen Sinn ein breiter Weg; eigentlich war er eher eine enge Straße, was dem Verkehrsfluss nicht eben förderlich war. Es gab eine Menge flacher, niedriger Fuhrwerke, die Kisten oder Fässer transportierten. Einer dieser Rollwagen mit der Aufschrift Marvins’ Safe Co. transportierte einen in Latten verpackten Safe; durch die Latten hindurch konnte ich ihn sehen, er glänzte in sattem Schwarz und war nagelneu; auf die obere Hälfte der Tür war eine kleine Szene gemalt – Kühe auf einem Feld. Während ich ihn betrachtete, kam ein Junge angelaufen, kletterte über die niedrige hintere Klappe, ließ sich rittlings darauf nieder und ergaunerte sich somit eine Freifahrt. Gleich darauf ratterte ein beladener Umzugswagen vorbei, ein mächtiger rot gestrichener Kasten auf Rädern; der Fahrer schwebte hoch über den Hinterteilen seiner Pferde. Auf einer der beiden Seiten des Wagens, unter dem vergoldeten Namen Butler Brothers, Moving befand sich ebenfalls eine gemalte Szene, umgeben von einem wild verzierten Rahmen. Diesmal handelte es sich nicht um eine Pastorale, sondern um ein Duell zweier voll aufgetakelter Schiffe im Kanonengewitter; in einem Oval darunter stand Die Schlacht am Erie-See. Die vielen Broadway-Busse, die zu Dutzenden und Aberdutzenden beständig die Straße hinauf- und hinunterfuhren, manchmal gleich drei oder vier hintereinander, glichen denjenigen der 5th Avenue, nur waren diese hier rot, weiß und blau gestrichen und an den Außenwänden ebenfalls mit Bildern bemalt: meist Pastoralen, oft einfache Klecksereien. Aber alle waren unterschiedlich, und mir gefiel die Idee, alltägliche Dinge mit Bildern zu dekorieren. Die Dieselmonster des zwanzigsten Jahrhunderts, beschloss ich bei mir, würden dadurch erheblich dazugewinnen.
    Es gab viele leichte, von nur einem Pferd gezogene Lieferwagen, hin und wieder tauchte in diesem Berufsverkehr eine

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