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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Der Eingang, in dem Jake Pickering stand, lag einige Meter zurückversetzt und zwei oder drei Stufen über der Straße. Das Gebäude war rechts von mir, sodass ich ihn sehen konnte, er allerdings war vom Park aus nicht zu sehen. Und er hatte es so eingerichtet, dass ihn niemand sehen konnte – er stand auf den Stufen, dicht an der Mauer. Seine Augen suchten sorgfältig den Park ab. Mit dem Ergebnis zufrieden, trat er vor, überquerte rasch den Gehweg und schlängelte sich durch den Verkehr der Park Row. Dann betrat er den Park und begab sich unverzüglich mitten hinein, dorthin, wo die meisten Wege an einer Stelle zusammentrafen. Da stand er nun, den Hut auf den Hinterkopf geschoben, den Mantel geöffnet, die Hände in den Hosentaschen, die Kiefer mahlten auf einer Zigarre, deren Spitze himmelwärts wies, und wartete.
    Fünf Minuten vergingen. Ich konnte Pickerings Atem erkennen; es war kalt draußen, er spürte es und begann langsam auf und ab zu gehen, einige Meter jeweils, dann kehrte er wieder um. Aber er knöpfte weder den Mantel zu, noch nahm er die Hände aus den Taschen oder die Zigarre aus dem Mund. Von Zeit zu Zeit zog er an der Zigarre, ihr blauer Rauch vermischte sich mit dem weißen Dunst seines Atems. Er hatte sich in Pose geworfen: Er gab das Bild eines völlig mit sich zufriedenen Mannes ab und war sehr überzeugend. Seine Haltung, das müßige Flanieren, alles an ihm bewies, dass er entspannt und zufrieden war, dass er nicht einmal die Kälte wahrnahm.
    Weitere fünf Minuten vergingen. Die Uhr der City Hall hinter dem Park zeigte auf halb eins. Und als ich wieder hinabblickte, sah ich den zweiten Mann, der sich von Westen kommend schnell der Parkmitte näherte. Und ich wusste, dass der blaue Fleck in seiner behandschuhten Hand – das Ereignis gehörte nun nicht mehr der Geschichte sondern der Gegenwart an; über meinen Rücken lief ein Schauer, als mir klar wurde, dass ich hier stand und sah, wie alles begann – der Umschlag war, den ich Pickering aufgeben gesehen hatte; der andere Mann hielt ihn nun als Erkennungszeichen in seiner Hand.
    Pickering hatte ihn gesehen und ging ihm nun entgegen; mein Atem hatte die Scheibe beschlagen, so nah stand ich vor dem Fenster; höchst ungern trat ich einen kleinen Schritt zurück. Pickering lächelte; beide Männer waren dicht voreinander stehen geblieben und sahen sich an. Der zweite schob den blauen Umschlag in die Innentasche seines Mantels, Pickering nahm die Zigarre aus dem Mund, an den Bewegungen seines Bartes sah ich, dass er sprach, dann zitterte der Bart des anderen, als er antwortete. Aus der Entfernung hätten sie schwarzbärtige Zwillinge sein können, so, wie sie da zusammen auf dem Weg standen, jeder im glänzenden Seidenhut, praktisch gleich gekleidet, jeder mit der stattlichen Figur dieser Epoche. Ihre Köpfe bewegten sich, als sie sich umschauten und ihre Blicke durch den Park schweifen ließen; ich widerstand dem Impuls, mich zu ducken. Dann wies Pickering mit der Hand auf etwas Bestimmtes, und sie bewegten sich in meine Richtung auf eine Bank zu, die durch den hohen Steinsockel einer Statue windgeschützt lag. Sie setzten sich und waren leider des Sockels wegen kaum mehr zu sehen, nur das linke Knie und die Schulter des einen der beiden lagen noch in meinem Blickfeld.
    Ich musste hören, worüber sie sprachen, es musste einfach sein. Schnell verließ ich das Postamt durch den Hinterausgang, rannte hinter einem Brauereiwagen, der hoch mit Holzfässern beladen war, über die Straße und stellte mich sehr dicht neben die Statue. Ich hatte ihr den Rücken zugewandt und schaute mich gelegentlich stirnrunzelnd um, als wartete ich auf jemanden, der sich verspätet hatte. »… verstehe nicht warum«, sagte eine Stimme. »Es ist unter null Grad und wird gleich noch kälter, außerdem ist es windig. Niemand sitzt an einem Tag wie diesem in einem Park. Wenn Sie kein eigenes Büro besitzen, gleich gegenüber der Straße ist die Lobby des Astor House, ich gebe Ihnen einen aus.«
    »Oh doch, ich habe ein eigenes Büro«, sagte Jake Pickerings Stimme mit tiefem Glucksen. »Kein besonders großes. Ein Nichts verglichen mit dem Ihrem, darauf würde ich wetten. Wollen Sie es trotzdem sehen? Nein, das wollen Sie nicht. Noch nicht. Ja, niemand sitzt bei einem solchen Wetter im Park. Aber genau deswegen sind wir ja hier; was ich Ihnen zu sagen habe, muss auf jeden Fall unter uns bleiben. Es geht um Carrara-Marmor, deswegen sind Sie gekommen. Ohne zu

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