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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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schaute ihm über die Schulter; mindestens die Hälfte der Namen war durchgestrichen, andere darübergeschrieben. Er murmelte unentwegt vor sich hin: »Sollte abgerissen und neu gebaut werden. Der Aufzug wird nicht fertig, so geht es nun schon seit Wochen, wird aber sowieso nichts nützen. Kann mich nicht um alles kümmern. Zieht jemand ein, dann liegt es an ihm, mir seinen Namen zu sagen, wenn er die Post haben will.« Seine alte Stimme war beinahe ein Krächzen. »Was sie meistens auch tun! Oder, wenn er auszieht und will, dass ihm die Post nachgeschickt wird. Auch das wollen sie gewöhnlich. Hier ist er: Pickering. Dritter Stock, Nummer siebenundzwanzig. Das ist oben gleich neben dem neuen Schacht. Sie können es nicht verfehlen. Er wird sich beschweren, wenn der Aufzug einmal läuft – falls er jemals laufen sollte; das sind laute Teufel. Bin einmal mit einem gefahren.«
    Ich ging nach oben, im zweiten Stock stand die Tür zum Büro gleich rechts neben der Treppe offen. Die Sägegeräusche und das Quietschen der herausgezogenen Nägel kamen von dort; ich warf einen Blick in den Raum. Zwei Zimmerleute in weißen Overalls knieten mit dem Rücken zu mir auf dem Boden. Einer sägte durch die Holzdielen und ließ die Bretter direkt durch den offenen Schacht in den Keller fallen, wo sie zweifellos der alte Hausmeister aufsammeln und verbrennen musste. Der zweite Zimmermann löste methodisch die kurzen Nägel, die noch in den Balken steckten; mit dem Nagelheber seines Hammers zog er die Nägel heraus und warf sie ebenfalls in den Keller. Die beiden Männer arbeiteten sich langsam zur Türschwelle vor, auf der ich stand. Zwischen ihnen und der gegenüberliegenden Wand war der Boden völlig verschwunden; die dicken Deckenbalken waren freigelegt. Irgendwann würden auch sie abgesägt und verbrannt werden, dachte ich.
    Im dritten Stock war die Tür zu dem Raum, der genau über dem lag, in dem die Zimmerleute arbeiteten, mit einem schweren, neuen Vorhängeschloss gesichert; in roter Farbe stand auf der Tür Achtung! Nicht betreten! Fahrstuhlschacht . Die Tür zu dem Büro daneben trug die Nummer siebenundzwanzig und war verschlossen. Ich hielt mein Ohr an einen Spalt in der Tür, drehte dann vorsichtig an dem Türknauf und lauschte. Ich war ganz alleine, selbst von dem gleich um die Ecke gelegenen Hauptgang war kein Geräusch zu hören, und so bückte ich mich schnell, um durch das Schlüsselloch von Büro siebenundzwanzig zu spähen. Direkt vor mir sah ich ein hohes Fenster, durch dessen Schmutzschlieren grauweiß das Winterlicht fiel. Unmittelbar davor befanden sich ein Rollpult und ein Stuhl. Meine Sicht nach links wurde durch etwas eingeschränkt, das dicht vor mir an der Tür stand, so dicht, dass es nicht zu identifizieren war. Rechts konnte ich einen Teil des Durchgangs erkennen, der dieses Büro einst mit dem von nebenan, das nun verschlossen war, verbunden hatte. Der Durchgang war mit Brettern zugenagelt. Die Zimmerleute, die den Schacht für den Aufzug aussägten, mussten sich von unten nach oben vorarbeiten, damit die Dielen der einzelnen Böden bis in den Keller hinunterfallen konnten.
    Ich erfuhr über Jake Pickerings Büro alles, was es zu erfahren geben konnte, und wahrscheinlich alles, was ich erfahren musste. Etwa eine halbe Minute stand ich vor der Tür, bis ich jemanden die Treppe hinabgehen hörte. Ich wusste genau, warum es mir so schwerfiel, mich umzudrehen und fortzugehen; meine Mission war eigentlich beendet, und doch wünschte ich, sie wäre es noch nicht.
    Ich ging in den Hauptgang zurück, machte einen Bogen um die Treppe und durchmaß die gesamte Länge des Gebäudes; ich kam an den Türen von Andrew J. Todd, Anwalt, vorbei, von Prof. Charles A. Seeley, Chemiker; der American Engine Company; J. H. Hunter, Notar. Dann befand ich mich vor den Büroräumen des New-York Observer, die auf die Park Row hinausgingen, und vor der Treppe zur Straße. Auf dem Weg nach unten merkte ich erst, wie hungrig ich war.
    Im Astor House, gegenüber dem Broadway, genau wie Carmody gesagt hatte, nahm ich ein Mittagessen ein. Beinahe hätte ich kehrtgemacht, als ich die Eingangshalle betrat. Sie war voll mit Männern, die in Gruppen oder zu zweit herumstanden und sich laut unterhielten; fast alle hatten Hüte auf, und der Marmorboden war bedeckt, und ich meine richtig bedeckt, mit Kautabaksaft. Während ich noch am Eingang stand und mich umblickte, was allerhöchstens vier oder fünf Sekunden lang dauerte, hatten in

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