Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
erscheint. The New-York Observer stand darauf.
Ich stieg die Holzstufen hinauf, die dringend einen neuen Anstrich nötig hatten, und betrat durch ein Paar schwer zu öffnende Türen aus dickem Holz und Glas das Entree, das nur durch das einfallende Straßenlicht erhellt wurde. Das Gebäude war drinnen genauso heruntergekommen; hier machte es sich noch deutlicher bemerkbar; niemand hatte den Versuch gemacht, den Verfall zu kaschieren. Die Dielen, die in den düsteren Flur hineinführten, waren abgenutzt, die blanken Nägel stachen aus ihnen heraus, und sie waren schmierig und fleckig von Tabaksaft, Speichel, Zigarrenstummeln und Straßenschmutz. Genauso sah die Holztreppe aus, die nach oben führte; die Stufen waren so ausgetreten, dass sie in der Mitte eine Kuhle hatten. An der dunkelgrün verputzten Wand waren die Mieter mit ihren Büronummern aufgelistet. Der ausgestreckte Zeigefinger einer sorgfältig gemalten Hand wies dem Besucher den Weg zuerst in die Räume des Erdgeschosses, dann zu weiteren Firmen die Treppe hoch. Es waren lange Listen; viele der Schriftzüge verrieten noch ihr ursprünglich professionelles Aussehen, nun aber waren sie verblichen oder abgeblättert; das müssen die älteren Mieter sein, dachte ich. Neuere hatten ihre Namen oftmals unbeholfen dazugesetzt, Farbspritzer liefen von einzelnen Buchstaben hinab. Viele Namen waren durchgestrichen oder übermalt, andere darüber geschrieben. Manche waren einfach nur hingekritzelt. Und einer von ihnen lautete ›Jake Pickering‹.
Ein Mann, dann ein Botenjunge waren nach mir eingetreten und die Treppe hochgegangen; ich hörte Geräusche aus dem ersten Stock. Dann kamen Schritte die Treppe herab, ein weißbärtiger Mann mittleren oder bereits etwas höheren Alters erschien. Er trug einen Mantel und eine runde Stoffkappe mit Ohrenschützern. Als er bei mir angekommen war, fragte ich ihn: »Gibt es hier irgendwo einen Hausverwalter?«
»Ha!«, rief er aus, ein kurzes, angewidertes, bellendes Lachen folgte dem Ausruf, »einen Hausverwalter! Im Potter Building! Nein, Sir, hier gibt es niemanden mit diesem Titel oder in dieser Funktion; es gibt nur einen Hausmeister.« Ich fragte ihn, wo ich diesen finden könne, und er antwortete: »Eine Frage, die oft gestellt und selten mit Gewissheit beantwortet wird. Er hat seine Höhle, sein Versteck unter dem Eingang der Nassau Street, wo man ihn manchmal aufstöbern kann. Da kommt Ellen Bull«, er deutete den Gang hinunter, wo ich die Silhouette einer rundlichen Person erkennen konnte. »Sie wird Ihnen weiterhelfen.« Ich dankte ihm, und er sagte: »Wenn Sie ihn finden sollten, was sehr zweifelhaft ist, dann sagen Sie ihm bitte, dass ihn Dr. Prime vom Observer nochmals daran erinnern möchte, dass seine Büroräume viel zu warm sind, um angenehm arbeiten zu können.« Er lächelte freundlich, nickte mir kurz zu und trat dann auf die Straße hinaus.
Also ging ich noch ein wenig weiter in das Gebäude hinein, um Ellen Bull, eine große und sehr dicke Schwarze, die über zweihundert Pfund wiegen musste, nach dem Weg zu fragen; sie hatte ein Tuch um ihr Haar gebunden und trug einen leeren Eimer mit einem Schrubber. Das Kabuff des Hausmeisters, sagte sie, sei direkt unter der Kellertreppe am Eingang der Nassau Street. Ich dankte ihr, und sie lächelte; ihre Zähne leuchteten weiß in dem düsteren Licht. Sie war vermutlich um die fünfundvierzig, und während ich meinen Weg fortsetzte, fiel mir ein, dass sie wahrscheinlich eine Sklavin gewesen war. Ich kam an massiven Holztüren vorbei, einige trugen Nummern, häufiger allerdings hatten sie keinerlei Bezeichnungen. Einige standen offen, die meisten waren geschlossen. Manche besaßen sorgfältig gemalte Namen: August W. Almquist, Patentanwalt; J. W. Denison; W. H. Osborn, Rechtsanwalt. Bei anderen steckten nur handgeschriebene Papier- oder Pappstreifen im Rahmen. Außer dem Licht, das durch die Glastüten an den Eingängen fiel, wurde das Treppenhaus nur noch in der Mitte sehr dürftig von Kugellampen erhellt, deren Gas sehr weit heruntergedreht war.
Im Eingang der Nassau Street führte unter der Treppe, die zu den oberen Stockwerken führte, eine zweite, sehr schmale Treppe in den Keller. Ich versuchte etwas zu erkennen, aber es war zu dunkel. Irgendwo über mir hörte ich das schabende Geräusch einer Handsäge und das in den Ohren schmerzende Quietschen von Nägeln, die aus Brettern gezogen wurden. »Irgendjemand dort unten?«, rief ich in den Keller hinab.
Weitere Kostenlose Bücher