Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
können wir nicht zulassen. Ich möchte mit Ihnen reden. Unter vier Augen. Jetzt gleich.«
Ich muss dem alten Herrn etwas zugutehalten: Ich habe ihn nie seine Würde verlieren sehen, in keiner Situation; auch jetzt nicht. Kein beleidigtes Aufspringen und Türenknallen, keine heftigen Worte; diese Art der Theatralik verabscheute er. Er zögerte einen Moment, dann sagte er: »Natürlich. Aber es ist bereits alles gesagt worden: Niemand wird nachgeben oder seine Meinung ändern. Ich erwarte Sie in meinem Büro, Colonel.« Dann ging er hinaus, im Raum war es vollkommen still, und war fort.
»Das gefällt mir nicht«, sagte eine Stimme am unteren Ende des Tisches. Wir drehten uns nach ihr um. Ein junger, dicklicher Mann, der, ich glaubte mich erinnern zu können, von einer der kalifornischen Universitäten stammte. Er sah intelligent aus und ein wenig verrückt. Er sagte: »Ich habe keine Stimme, aber einen Mund, und verdammt viel Interesse an allem; ich bin Meteorologe und eigentlich nur als Vertreter meiner Universität hier. Aber trotzdem werde ich nicht gehen, bevor ich nicht die Frage los bin, wie wir es hier verantworten können, nicht Dr. Danzigers Meinung und Entscheidung zu akzeptieren.«
»Hört, hört! Wie die Briten sagen«, rief jemand mit erfreuter Stimme; ein Typ, der jeden Streit genießt, solange er zwischen zwei anderen ausgetragen wird.
Ich dachte, Colonel Esterhazy würde darauf antworten, doch Rube stand auf; langsam, vollkommen entspannt, sich Zeit lassend und im Bewusstsein – das fiel mir in diesem Moment auf – seiner Befehlsgewalt. Er sagte: »Wie? Weil man nicht mehr zurück kann. Nie mehr. Man gibt nicht Milliarden aus, um einen Mann auf den Mond zu schießen, und beschließt dann, es nicht zu tun. Oder erfindet das Flugzeug, betrachtet es und entscheidet dann, die Erfindung wieder rückgängig zu machen, weil irgendjemand irgendwann damit Bomben abwirft. Man beendet solch große Projekte wie dieses hier nicht einfach; das hat es in der menschlichen Geschichte noch nie gegeben. Risiko? Ja, vielleicht. Ja, gewiss. Aber wen hat so etwas jemals aufgehalten? Jemand, dessen Geburtstag zum Nationalfeiertag erhoben wurde? Wir machen weiter. Wir …«
»Wer ist wir?«, rief eine verärgerte Stimme; ich habe niemals herausgefunden, wer es war.
»Wir alle«, sagte Rube ruhig, stemmte seine Fäuste auf den Tisch und reckte seinen Kopf vor. »Wir alle, die wir endlos viel Zeit und enorme Anstrengungen in dieses Projekt gesteckt haben: einen wichtigen Teil unseres Lebens. Denken Sie doch nach, verdammt noch mal. Können Sie sich wirklich vorstellen, dass es aufgehalten werden kann? Einfach aufgegeben? Vergessen? Das wird nicht passieren, Gentlemen. Warum also herumsitzen und leeres Stroh dreschen?«
Das beendete die Diskussion vorläufig, obwohl die Gespräche untereinander noch eine Weile fortgesetzt wurden. Kopien meines Berichtes und der Testresultate wurden verteilt; jedes Blatt war mit einer Nummer versehen und musste gelesen und zurückgegeben werden, bevor der Vorstand den Raum verließ. Eine ganze Anzahl von Leuten blickte auf, während sie lasen, sie lächelten mir zu und schüttelten verwundert den Kopf. Ich lächelte zurück. Die Auseinandersetzungen gingen währenddessen weiter, manche vertraten die Meinung, dass das Projekt vorsichtig fortgeführt werden sollte, andere stellten das infrage und äußerten ihre Zweifel. Ich glaube, dass vor dieser Zusammenkunft vielen nicht bewusst gewesen war, wie gering ihr Einfluss auf die Politik des Projekts war. Esterhazy beendete die Konferenz, indem er die Mitglieder sehr taktvoll darauf hinwies, dass alles, was sie über das Projekt erfahren hatten, vertraulich behandelt werden musste. Sie würden benachrichtigt werden, wann das nächste Treffen stattfinden würde; in der Zwischenzeit danke er für ihr Erscheinen.
Rube wusste genau, dass ich eine Entscheidung zu treffen hatte, und tauchte sofort neben mir auf, als ich den Konferenzraum verließ. Im Gang lud er mich in eine Bar in der 6th Avenue ein, in der wir ein- oder zweimal gewesen waren und wo wir zu Mittag essen konnten. Ich sagte, ich wolle zuerst Dr. Danziger sprechen, und wir gingen gemeinsam zu seinem Büro. Aber Danzigers Vorzimmerdame wies uns darauf hin, dass Colonel Esterhazy bei ihm sei, was Rube kaum verwunderte, und dass es wohl noch etwas länger dauern könne. Ich war ausgehungert, also ging ich mit Rube zum Essen: Wir entschieden uns jeder für eine große Schale
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