Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
murmelte auch keine Zustimmung, aber ich widersprach auch nicht. Rube schlängelte sich aus der Nische heraus, ich folgte ihm, und auf dem Weg zurück zum Lagerhaus sprachen wir über Football. Selbst heute noch schäme ich mich dafür; es gibt keine Entschuldigung. Ich wusste nur, dass ich mir einfach nicht die Chance entgehen lassen wollte, noch einmal zurückzukehren; genau das war es.
Als wir ankamen, war Danziger bereits fort, Gott sei Dank, wie mir damals wohl durch den Kopf ging. Seine Sekretärin gab mir allerdings seine Adresse und Telefonnummer; er wohnte in einem Apartment in der Bronx. Ich telefonierte von ihrem Apparat aus, erhielt aber keine Antwort. Wahrscheinlich war er noch nicht zu Hause, vielleicht war er auch nicht direkt dorthin gefahren. Als ich einhängte, ließ ich meine Hand auf dem Hörer, rief dann aber Kate doch nicht an; zögerte ich es hinaus, mich mit ihr zu treffen?
Ein wenig später, ich ging durch die Straßen zu ihrem Laden, zwang ich mich, darüber nachzudenken. Ich hatte viel zu tun gehabt, redete ich mir ein, und kaum Zeit, Kate anzurufen. Aber wenn das auch stimmte, so war es doch nicht die ganze Wahrheit. Hatte mein Widerwille – er war da, ich musste es zugeben – mit Julia zu tun? Nun ja, mein Puls ging schneller, wenn sie in meiner Nähe war, auch das musste ich zugeben, trotzdem glaubte ich nicht, dass es an Julia lag.
Vielleicht waren die Neuigkeiten daran schuld, die ich Kate mitteilen musste; dass Iras Vater schlichtweg ein Betrüger, ein korrupter Schwindler war. Aber er war gestorben, lange bevor Kate geboren wurde, außerdem war er kein Verwandter. Diese Informationen konnten Kate eigentlich gar nicht verletzen. Ich wusste nicht, was mit mir los war, ich lief einfach durch die Straßen, bis ich an ihrem Laden angelangt war.
Kate war da; sie kam gerade aus ihrem kleinen Arbeitszimmer an der Rückseite des Ladens, als ich die Tür öffnete und die Glocke anschlug. Sie hatte von einem Stuhl alte Farbschichten entfernt und trug Blue Jeans, eine alte Bluse und eine Schürze, ihre Hände waren voll Ablaugmittel. Also beugten wir uns nur vor, um uns einen kleinen Kuss zu geben; im Arbeitsraum saß ich dann auf einem Fässchen, das dort herumstand, während sie an dem Stuhl weiterarbeitete, und erzählte ihr alles. Es machte mir viel Freude, denn sie hörte mir sehr aufmerksam und gespannt zu.
Nachdem Kate den Laden geschlossen hatte, gingen wir zum Supermarkt im nächsten Block, wo sie Steaks und Butter kaufte. Einige Häuser weiter holte ich aus dem Liquor Store eine Flasche Whiskey, kehrte dann noch einmal zum Supermarkt zurück, um ein paar Flaschen Sodawasser zu besorgen. Als wir dann oben in Kates kleiner Wohnung beim zweiten Drink angelangt waren, während in der Pfanne die Kartoffeln vor sich hinbrutzelten, konnte ich nicht mehr verstehen, warum ich gezögert hatte, hierherzukommen. Das hier war der einzige Ort, wo ich sein wollte, und die Stunden, die noch vor mir lagen, versprachen wunderbar zu werden.
Kate hatte natürlich ein besonderes Interesse an dem, was ich ihr während unserer Drinks und während des Essens später erzählte. Sie hatte den Ort und die Zeit kennengelernt, von der ich sprach, sie hatte, wenn auch nur kurz, Jake Pickering gesehen. Und als ich ihr von Carmody erzählte, saß sie ganz still da – mit offenem Mund hörte sie fasziniert zu. Als ich ihr von Danziger, Esterhazy, Rube und meinem Entschluss, weiterzumachen, berichtete, gab sie einige wenige, vorsichtige Kommentare ab, darauf bedacht, in meine Entscheidung nicht einzugreifen; ich wusste, sie war froh – sie konnte nicht anders –, dass ich wieder zurückging.
Sie stand vom Tisch auf, ging in ihr Schlafzimmer und kam mit der roten Faltmappe wieder zurück; noch im Gehen löste sie das Band. Erneut betrachteten wir die kleine Schwarz-Weiß-Aufnahme von Andrew Carmodys Grabstein. Dort stand er, geheimnisvoll, zwischen den Gänseblümchen und dem spärlichen Gras: ein Grabstein, wie als Karton von einem Zeichner entworfen, der perfekte Halbkreis, die geraden Seiten, alles ein wenig in den Boden gesunken und geneigt. Und auf dem Stein, klar und deutlich zu erkennen, die fremdartige Gravur: kein Wort, kein Name oder Datum, nur der neunzackige Stern in einem Kreis, der aus unzähligen, in den Stein gehauenen Punkten bestand; der Stern, den wir erstaunlicherweise als Abdruck im Schnee unter einer Straßenlaterne gesehen hatten, auf dem Broadway in New York, am 23. Januar
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