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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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1882.
    Voll Staunen betrachteten wir wieder einmal den blauen Umschlag und die mit schwarzer Tinte geschriebene Adresse. Kate schüttelte den Brief aus dem Umschlag und las den oberen Teil laut vor. »›Wenn eine Unterredung über den Carrara-Marmor im Court House für Sie von Interesse sein sollte, so kommen Sie bitte nächsten Donnerstag um halb eins in den City Hall Park.‹« Sie zeigte mir den Brief. »Und nun wissen wir«, sagte sie mit ehrfürchtiger Stimme, »wir wissen wirklich, was damals im Park vor sich gegangen ist. Ich bin froh, dass Ira keine Ahnung von alledem hatte.« Dann las sie den unteren Teil vor. ›Dass dieses Sendschreiben die Zerstörung des gesamten Welt‹  – wie lautet nur das fehlende Wort! – ›durch Feuer herbeiführte, ist kaum zu glauben. Dennoch ist es so, und der Fehler und die Schuld‹  – wieder unterbrach sie, um das fehlende Wort anzuzeigen – ›bei mir. Sie ist weder zu leugnen, noch ist ihr zu entkommen. Dieses erbärmliche Andenken vor Augen, beende ich nun das Leben, das bereits damals hätte beendet werden sollen.‹ Kate schob den Brief in den Umschlag zurück. »Tu, was sie dir auftragen, wenn du zurückkehrst. Aber finde bitte für mich heraus, was dieser Brief bedeutet. Deswegen hörst du nicht auf Danziger, nicht wahr? Du musst zurück, du kannst nicht anders.« Und ich nickte.
    Esterhazy besaß genug Taktgefühl, am nächsten Morgen nicht gleich Dr. Danzigers Büro zu übernehmen. Wir trafen uns in Rubes kleinem Büro; Rube saß in Hemdsärmeln hinter seinem Schreibtisch, tief in seinen Drehsessel hinuntergerutscht, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und lächelte mir zu. Esterhazy saß halb auf dem Schreibtisch, halb lehnte er daran und sah in seinem grauen Gabardine-Anzug, dem weißen Hemd und der dunklen Krawatte sehr herausgeputzt und fast militärisch streng aus. Ich saß ihnen auf einem Stuhl gegenüber.
    Ich sollte zurück und die Mission wieder aufnehmen. Das war alles, was sie mir zu sagen hatten. Sie wollten alles wissen, was ich noch über Andrew Carmody und das, was zwischen ihm und Jake Pickering geschehen war, in Erfahrung bringen konnte. Vor allem die Historiker, sagte Rube, waren daran interessiert; ein Team von Historikern und Postgraduierten arbeitete bereits in der Library of Congress und versuchte, alles auszugraben, was es über Carmodys Beziehung zu Cleveland gab; ein zweites Team arbeitete in den Staatsarchiven. Alles, was ich erfahren konnte, würde ihre Ergebnisse erweitern oder in ein neues Licht rücken. Das Endergebnis dieses Pilotprojekts, so hoffte man, würde eine brauchbare Methode zur Erweiterung unseres gesamten historischen Wissens sein.
    Auf meinem Weg zum Dakota – Rube fuhr mich hin – sagte ich mir immer wieder, dass ich das Richtige tat: In den Argumenten, die ich gehört hatte und auch meinen eigenen, konnte ich keinen Fehler finden. Aber wenn das stimmte – warum spürte ich dann, dass ich das Falsche tat. Und warum, wenn ich von dem, was ich tat, so überzeugt war, warum hatte ich dann nicht mit Dr. Danziger gesprochen? Es wäre genügend Zeit gewesen, mit ihm zu telefonieren; es war jetzt sogar noch genügend Zeit dafür. Aber eine innere Stimme sagte mir, dass ich ihn nicht anrufen würde.

17
    Es war fast schon zur Gewohnheit geworden, vom Dakota aus in den Winter von 1882 hinauszugehen. Ich hatte mich nun an den Ablauf gewöhnt und es gab keinen Zweifel mehr, dass es nicht klappen könnte. Ohne groß nachdenken zu müssen, wusste ich, dass ich zurück war, und freute mich darüber. Es schien ganz natürlich zu sein, in den Central Park zu gehen und – es hatte während des Tages geschneit  – Pferdeschlitten zu sehen. Dutzende und Aberdutzende glitten über die Wege des Parks. Ein wunderbarer Anblick. Als ich so durch den Schnee spazierte, spürte ich, wie sich alle Sinne in mir öffneten, und plötzlich war ich mir der Wirklichkeit des Winters bewusst. Ich spürte die herrlich eisige Luft an den Wangen, meine Lungen sogen sie tief ein; sie war klar und kalt. Fast jedes Pferd, das an mir vorübertrabte, hatte Glöckchen am Zaumzeug, der Wintertag war mit ihrem Läuten und den dumpfen Schlägen der Hufe erfüllt. Dies und die gedämpften, hohen Stimmen, die von weiter entfernt zu hören waren, erweckten ein besonderes Gefühl in mir, ein glückliches, ein nostalgisches Gefühl. Ein kastanienbraun lackierter Schlitten mit hübsch gemalten winterlichen Szenen auf den Seiten fuhr an mir vorüber.

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