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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Und dann brüllten wir wieder: Jingle bells, jingle bells! Jingle all the way! Oh what fun it is to ride in a one-horse open sleigh! Zwei Blocks lang sangen wir – die Leute auf den Bürgersteigen freuten sich mit uns mit, und die Kinder warfen Schneebälle nach uns. Julias Stimme war hoch, ein sehr klarer, lieblicher Sopran; der weiße Dunst ihres Atems unterstrich jedes ihrer Worte. Maud war kaum zu hören, Tante Ada sang mit überraschend jugendlicher und schöner Stimme und Jake in einem holpernden Bariton. Ich selbst, vermute ich, war ein etwas armseliger Tenor. An der nächsten Ecke bogen die anderen nach Süden. Unter Winken und Rufen fuhren wir weiter nach Norden, zum Central Park; und solange der Schlitten noch in Hörweite war, setzten wir unseren Gesang fort.
    Felix schloss zu uns auf und übernahm im Park wieder die Führung; mit Hunderten anderer Schlitten flogen wir über die gewundenen Wege. Wir fuhren schnell, Schlitten rasten an uns vorüber, die Hufe dröhnten, und die Pferde hoben in den Kurven manchmal beinahe vom Boden ab. Einige der Fahrer hatten sogenannte Fischhörner bei sich: Hörner aus Messing, die sie von Zeit zu Zeit an die Lippen setzten und bliesen und die einen einzigen, traurigen, jedoch irgendwie aufregenden metallischen Ton von sich gaben, der dann einen Moment lang in der Luft hing. Dann fuhr Felix an den Wegrand, um eine Aufnahme zu machen. Wir blieben hinter ihm stehen und warteten, während er seine große hölzerne Kamera, deren Messingbeschläge im winterlichen Licht schimmerten, aufstellte. Die Aufnahme wurde gut; als ich sie später sah, bat ich ihn um einen Abzug. Hier ist er (s. links unten). Ich kann ihn nicht betrachten, ohne vor Freude zu lächeln.

    Eine Weile später erblickte Felix eine weitere Szene, die er aufnehmen wollte. Während wir hinter ihm warteten, sah ich, was er fotografierte. Das ist sein Foto. Ich muss sagen, er besaß ein gutes Auge. Sie bemerkten uns nicht; die Mutter holte gerade ein Taschentuch für den Jungen auf dem Schlitten hervor, und ich hörte, wie das Kind im Wagen die ältere Frau ›Nanny‹ nannte.

    Während Felix die Aufnahme machte, ging ich zu ihm hinüber. Als er damit fertig war, erzählte ich ihm, ich hätte auf der anderen Seite des Parks, an der 72nd Street, ein Apartmentgebäude gesehen, das ich bewundere, und fragte ihn, ob er nicht davon auch eine Aufnahme machen könne. »Das Dakota«, sagte er. »Sicher. Nur müssen Sie sie bitte selbst machen.« Er reichte mir die Kamera. Ich zögerte, ich wollte sie nicht benutzen und dankte ihm, er aber erklärte mir, wie ich eine neue Platte einzulegen hatte.
    Auf halber Höhe des Parks bat ich Jake anzuhalten, und mit Felix’ Hilfe machte ich das Foto. Mir gefällt es; es zeigt, wie einsam das Dakota einst dagestanden hat. Allerdings kommt das vom Eis reflektierte Licht kaum heraus, und leider ist es überbelichtet. In der Mitte des Vordergrunds stand zum Beispiel ein Mann mit einem Seidenzylinder; ich weiß nicht, ob er zu erkennen ist. Wir fuhren weiter, näher an das Dakota heran, und ich stellte die Kamera – sie war wirklich simpel, aber gut – auf eine Steinsäule für eine längere Belichtungszeit, da das Licht schwächer wurde. Was dabei herauskam, könnte schöner nicht sein. Mit einer Leica, Graflex oder welcher Kamera auch immer, wäre das Bild auch nicht besser geworden.

    Dann ging es weiter durch den Park, bis er schließlich hinter uns lag und – erstaunlich, wir befanden uns noch immer auf Manhattan Island – wir plötzlich auf dem Land waren. Schließlich hielten wir vor einem großen Holzgebäude, dem Gasthof Gabe Case’s; es war nun völlig dunkel. Das Wirtshaus war hell erleuchtet, durch die Fenster fiel das Licht in großen Rechtecken auf den Schnee. Und es war voll; über fünfzig Schlitten standen draußen unter einem großen Unterstand, die Pferde waren angebunden und hatten gegen die Kälte eine Decke auf dem Rücken.
    Drinnen war jeder Tisch besetzt, der Raum berstend voll, die Stimmen und das Gelächter waren so laut, dass es fast unmöglich war, sich zu unterhalten. Felix rief mir etwas zu, ich kämpfte mich zu ihm durch und schloss mich seiner Gruppe an, wobei ich meine verlor. Wir aßen im Stehen Sandwiches und tranken Glühwein und unterhielten uns ein wenig über das Gebrüll hinweg, meistens aber lächelten wir uns aus Freude und guter Laune nur an.
    Ein außergewöhnlicher Nachmittag und eine außergewöhnliche Nacht, die am nächsten

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