Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
Einige der Pferde hatten fröhliche Büschel aus gefärbtem Rosshaar oder Federn in ihre Mähne gebunden, und ich schwöre, dass in den Augen jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes, die an mir vorbeifuhren, das Vergnügen über diesen Moment des Lebens funkelte.
Ich blieb stehen und machte von der Szene eine schnelle Skizze. Viel später, sorgfältig nach der Mode der Zeit ausgearbeitet, da dies mir angemessen erschien, beendete ich sie. Hier ist sie (s. nächste Seite). Im Hintergrund sieht man das Dakota, und ich wünschte, man könnte das silberne Klingeln der reich verzierten Pferdeglöckchen hören.
Am Ausgang des Parks waren Schlittschuhläufer auf dem Teich zu sehen; überall tummelten sich Kinder im Schnee; etwas größere lagen bäuchlings auf hölzernen Schlitten, kleinere Kinder waren auf höhere Schlitten gepackt und wurden von älteren Geschwistern oder Erwachsenen gezogen. Einer dieser Schlitten fuhr an mir vorbei; gezogen wurde er von einem weißbärtigen Mann, dessen Kleidung – Gamaschen, eng anliegende Hosen, ein seltsamer Seidenzylinder, der oben bereits ausfranste – seit Jahren unmodern war. Er musste weit über siebzig sein; er zog den Schlitten durch den Schnee und lächelte; wie jeder andere auch, dem ich begegnete, hatte er seinen Spaß daran. Genau wie ich; ich war plötzlich glücklich, hier an diesem Ort, zu dieser Zeit zu sein; ich war richtig glücklich, wieder zurück zu sein.
Ich freute mich jedoch nicht darauf, zum Gramercy Park neunzehn zurückzukehren; es war Sonntag, und Jake Pickering konnte zu Hause sein. Also betrat ich einen Saloon in der West 57th Street – die vordere Eingangstür war, wie ich erfuhr, nachdem ich zwei Männern durch eine Seitentür gefolgt war, wegen des sonntäglichen Sperrgebots geschlossen. Ich aß dort eine Suppe und zwei große Sandwiches; ich wollte die Begrüßung und die Fragen, vor allem das erste Zusammentreffen, mit Jake Pickering so kurz wie möglich gestalten und sofort auf mein Zimmer gehen mit der Ausrede, ich sei nicht hungrig. Aber als ich kurz darauf um die Ecke bog, standen zwei große Schlitten vor dem Haus Nummer neunzehn. Felix Grier und ein Mädchen, das ich nicht kannte, saßen auf dem Vordersitz des ersten; Felix hielt die Zügel in der Hand, das Mädchen hatte Felix’ Geburtstagskamera auf ihrem Schoß. Byron Doverman half gerade einer anderen jungen Frau auf den Rücksitz. Julia kam vorsichtig – die Stufen waren mit einer frischen Schneeschicht bedeckt – die Treppe herab; Jake befand sich an ihrer Seite, in Zylinder und dunklem Mantel mit Lammfellkragen, und stützte sie. Maud Torrence folgte ihnen, und oben im Hauseingang stand Tante Ada.
Sie hatten mich erblickt, bevor ich mich abwenden konnte; sie riefen und schrien. Felix, außer sich vor Freude, schrie über das Mädchen hinweg zu mir die Straße hinunter. »Willkommen zu Hause! Gerade rechtzeitig für die Schlittenpartie! Mr. Pickering hat zwei Schlitten gemietet!« Ich winkte zurückhaltend, versuchte zu lächeln und mir eine Entschuldigung zurechtzulegen: müde von der langen Zugreise, außerdem hätte ich mir la grippe eingefangen. Denn natürlich konnte ich kein Fuhrwerk steuern und war, neben den beiden Männern mit ihren Begleiterinnen, das fünfte Rad am Wagen. Im anderen Schlitten mit dem wütenden Pickering mitzufahren, der zu Gott weiß was imstande sein mochte, war ganz unmöglich. Sie kamen auf mich zu, Felix sprang aus seinem Schlitten, um meine Hand zu schütteln, sie bestürmten mich mit Fragen – wie es meinem Bruder ginge, wie der Familie? Sie hießen mich willkommen. Als Nächster begrüßte mich Byron mit Handschlag; alle waren so erfreut, mich wiederzusehen, dass meine Augen feucht wurden.
Und dann wurde meine Hand erneut ergriffen; Jake drückte sie und grinste mich dabei glücklich an! Ich suchte nach einer Antwort: Um die Gesundheit meines Bruders stehe es unerwartet gut; zu Hause gehe alles seinen normalen Gang; ich sei froh, wieder zurück zu sein. Ich konnte meine Blicke nicht von Jake abwenden: Seine großen braunen Augen waren warm und freundlich, sein Lächeln, als er mir die Hand reichte, war echt, so echt wie das der anderen. Julia lächelte mich an; sie schien sich so zu freuen, dass mein Herz einen Hüpfer tat. Sie gab mir die Hand, dann Maud, und als Tante Ada meine Hand ergriff, beugte sie sich vor und küsste mich gar auf die Wange.
Und nun wollte ich plötzlich schrecklich gerne mit diesen Menschen mitfahren,
Weitere Kostenlose Bücher