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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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dass Byrnes ebenso dachte wie ich. Wir wurden aus dem Haus geschafft, in unserer Mitte der Sergeant, der uns beide am Arm festhielt, Byrnes dahinter. An der Bordsteinkante trat Byrnes nach vorne, um den Schlag der Kutsche zu öffnen. Aber dann, eine Hand am Türgriff, hielt er inne, blickte uns nachdenklich an und sagte: »Im Gerichtssaal wird er Sie anklagen, und Sie werden leugnen. Da ist einmal das Geld, das man in Ihrem Zimmer gefunden hat, und zum anderen die Identifizierung durch Thompson. Aber da ist auch der Geruch des Tweed-Rings, der um Carmody liegt, nicht wahr? Und er hat tatsächlich Erpressergeld gezahlt, wenn die Summe auch gering war.« Einen Moment lang schwieg er, sah uns gedankenvoll an; dann öffnete er die Tür der Kutsche. »Springen Sie rein, Sergeant!« , befahl er; der Sergeant war überrascht, ließ uns dann aber los und tat, wie ihm geheißen. Byrnes wandte sich an uns und sprach dabei so leise, dass es weder der Kutscher noch der Sergeant hören konnten. »Verfassungsmäßige Rechte, sagten Sie«, und murmelte es, als würde ihn der neuartige Klang dieser Worte beunruhigen. »Nun, in Ordnung. Ich denke, es ist noch zu früh, um Sie zu verhaften. Ich glaube, wir brauchen noch weitere Beweise.« Wieder starrte er uns an und schien sich schließlich zu einer Entscheidung durchgerungen zu haben. »Sie können gehen«, sagte er. »Aber Sie verlassen die Stadt nicht, verstanden!« Wir sahen ihn an und waren uns nicht sicher, ob wir ihn richtig verstanden hatten. »Sie können gehen«, sagte er fast freundlich und lächelte Julia mit einer Art väterlicher Zuneigung an, soweit sein verschlossenes Gesicht dazu in der Lage war.
    Wir sollten keine Zeit verlieren, bevor er seine Meinung wieder ändern konnte, dachte ich, nahm Julia am Arm und ging mit ihr schnell die 5th in südliche Richtung hinunter, in die entgegengesetzte Richtung. Ein Dutzend Schritte, zwanzig, dreißig Schritte, er hatte seine Meinung noch immer nicht geändert. Ich konnte nicht widerstehen, ich sah mich über die Schulter nach ihm um. Er stand noch immer am Kutschenschlag und blickte uns nach. »Sergeant«, schrie er plötzlich und riss ihn auf. Dann zeigte er auf uns: »Unsere Gefangenen fliehen!«
    Vor lauter Verblüffung blieben wir stehen und starrten sie regungslos an. Meine Gedanken konnten dem, was hier passierte, keinen Sinn zuordnen. Der behelmte Kopf des Sergeanten erschien im Fenster der Kutsche, und mit ausgestrecktem Arm zielte sein Zeigefinger auf uns. Aber es war nicht nur sein Finger, denn ich sah den Blitz, hörte das Donnern, spürte das Pfeifen der Kugel, die nah an unseren Köpfen durch die Luft fuhr.
    Erst da wachten wir auf; wir rannten um unser Leben und hörten die Explosion des Schusses aus dem Revolver des Sergeanten, das hohe zischende Pfeifen. Aus der Balustrade des Sandsteinhauses vor uns platzte ein Gesteinssplitter. Wieder die erstaunlich laute Explosion des großen Revolvers, dann waren wir an der Straßenecke. Bevor wir um die Ecke bogen, musste ich mich noch einmal umdrehen: Byrnes stand mit dem Sergeanten mitten auf der Straße und schlug gerade dessen Hand mit dem Revolver hoch; nicht um uns zu retten, da war ich mir ziemlich sicher, sondern wegen der vielen Passanten, die sich mittlerweile zwischen uns und dem Revolver befanden.
    Dann waren wir um die Ecke der 74th Street und rannten wieder los. Julia hatte mit einer Hand ihren Rock etwas angehoben, um nicht zu stolpern, die Leute drehten sich nach uns um. Auf der anderen Straßenseite lief plötzlich ein Mann die Treppe vom Windsor Hotel herab und wollte zu uns herüber, seine Hand in einer ›Halt‹-Geste erhoben. Er schrie etwas, das ich nicht verstand. Ich reckte die Faust, da blieb er stehen und ließ uns ungestört vorbei. Es war ein langes Stück Straße, eine endlose Reihe identischer Sandsteinbauten, und als wir die Hälfte davon geschafft hatten, keuchte Julia. »Ich kann nicht mehr, ich muss anhalten!« Wir verlangsamten unser Tempo, und ich schaute mich um. Obwohl sich noch immer einige Passanten auf der Straße nach uns umdrehten, andere sich aus den Kutschenfenstern beugten oder uns vom Fahrersitz der Lieferwagen nachblickten, verfolgte uns niemand; von Byrnes und dem Sergeanten jedenfalls war merkwürdigerweise nichts zu sehen.
    Wir erreichten die Madison Avenue. Eine Pferdebahn, unterwegs in den Süden der Stadt, hielt gerade an der Ecke; ich half Julia auf die hintere Plattform und schwang mich dann selbst hinauf. Der

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