Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
Verlegen sagte sie: »Si, du hast einen Fehler gemacht. Schau dir nur dieses Kleid an!« Ich konnte nicht mehr und brach in schallendes Gelächter aus. Das Kleid, das ich ihr gekauft hatte, war ein braunes Baumwollkleid, das konservativ genug bis zu den Knien reichte. Sie hatte es richtig angezogen. Aber an der Hüfte war es aufgebauscht, da sie darunter mindestens zwei ihrer knöchellangen Petticoats trug.
»Julia, es tut mir leid!«, sagte ich; sie sah mich indigniert an. »Aber du kannst diese Petticoats nicht tragen; zieh den Unterrock an!«
»Unterrock?«
»Den rosafarbenen Petticoat, den ich mitgebracht habe.«
»Ich trage ihn!« Ihr Gesicht war knallrot. »Unter meinen Petticoats, und er ist viel zu kurz!«
Ich verbarg meine übergroße Heiterkeit, verbarg sie tief in mir. Zumindest konnte ich sie aus meinem Gesicht verbannen, wohin sie aber mit aller Macht wieder zurückstrebte. »Nein, Julia«, sagte ich bestimmt. »Der Unterrock ist nicht zu kurz. Er hat die gleiche Länge wie das Kleid, ein wenig kürzer, damit er nicht zu sehen ist.« Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist die Kleidung, die Frauen heute tragen. Ich habe sie mir nicht ausgedacht.«
Sie schien einen Moment zu überlegen, ob sie mit mir noch weiter darüber diskutieren sollte, während ich beim Anblick der gut dreißig Zentimeter gerüschten weißen Unterröcke, die unter dem Saum des Kleides hervorschauten, mühsam um Beherrschung ringen musste. Doch sie drehte sich entschlossen um und war für mindestens zehn Minuten verschwunden.
Als sie auftauchte, ging sie wie eine Ente; die Arme hatte sie steif angelegt. Ich brauchte einige Sekunden, bis ich den Grund für diesen seltsamen Gang bemerkte: sie hatte die Knie fest zusammengepresst. »Ist das … so richtig?«
Reglos stand sie da, und ich starrte sie an, da sie einfach toll aussah. Der Kragen der Bluse passte wie angegossen, der schokoladenbraune Sweater saß gut und war nicht zu eng, der Rock stand ihr großartig. Wie ich vermutet hatte, besaß sie eine tolle Figur, obwohl ich nicht ahnen konnte, dass auch ihre Beine wunderschön waren. Hochhackige Schuhe, hatte mich der Verkäufer erinnert, waren aus der Mode, dennoch hatte ich darauf bestanden und sah nun, dass ich recht gehabt hatte. In den hautfarbenen Strümpfen betonten diese hochhackigen Schuhe ihre schönen Fesseln und schlanken Waden. Sie war in diesem Outfit eine auffallend schöne Frau, und ihre langen, im Nacken zu einem Knoten geschlungenen Haare passten hervorragend dazu. Mein törichtes Lächeln machten deutlich, was ich davon hielt. Es half ihr; nun lächelte sie auch plötzlich, vor Freude und Stolz. Sie beugte sich vor und sah an sich hinunter. Wieder fiel ihr Blick auf den Saum, der weit, weit höher an diesen schönen Beinen lag, als sie sich jemals hätte träumen lassen. Dann errötete sie plötzlich, trat kurz entschlossen zu dem Diwan, schnappte sich den Mantel, den ich dort hingelegt hatte, und wickelte ihn so schnell wie möglich um die Hüfte; er berührte unten ihre Schuhe. »Ich kann nicht!«, schluchzte sie. »Si, ich kann einfach nicht so auf die Straße!«
Ich konnte mir nicht helfen. Ich lachte los, schüttelte meinen Kopf, ging zu ihr hinüber und legte tröstend den Arm um ihre Schulter. Dann, einem Impuls folgend, ohne vorher nachgedacht zu haben, küsste ich sie. Ein schneller Kuss, der sie verwirrte. Aber sie lächelte, und ich brachte sie dazu, den Mantel anzuziehen, indem ich ihr sagte, dass sein Saum länger als der des Kleides sei, was auch tatsächlich stimmte – zwei bis drei Zentimeter. Das half. Mit dem Mantel betrachtete sie sich wieder, und während ich schon befürchtete, dass sie wieder ins Schlafzimmer laufen würde, zwang sie sich stillzuhalten. Alle Frauen, die wir draußen gesehen hatten, erinnerte ich sie, trugen ebenfalls solch kurze Mäntel. Entschlossen nickte sie und fand sich damit ab.
Ich verließ das Zimmer, um meinen Filzhut aus dem Schrank zu holen. Als ich zurückkam, stand Julia gerade vor dem Spiegel, der über dem kleinen Tisch neben der Eingangstür hing, und band die Bänder ihres Hutes unter dem Kinn zu einer Schleife. Diesmal versuchte ich erst gar nicht, das Lachen zurückzuhalten; es wäre sinnlos gewesen. Ich lachte wie verrückt, ich lachte und lachte. Julia stand da, schaute mich an, sie war nicht wütend, schien aber verstört. Und jedes Mal, wenn ich sie von neuem ansah, mit ihren hohen Absätzen, dem kurzen modernen Mantel und dem
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