Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
Vom Netzwerk:
Alles verschwunden.«
    Die Ampel sprang um, wir bogen nach Osten ab, und ich sagte: »Da vorn ist die Lexington Avenue; wir können noch ein Stück weiter fahren, zum Gramercy Park. Dein Haus steht noch immer. Willst du es sehen?«
    »Oh nein!« Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Das könnte ich nicht ertragen, Si.«
    Der Aufzug in dem Haus, in dem meine Wohnung lag, gefiel ihr, allerdings nicht die Frau mittleren Alters, die mit einem Pudel unter dem Arm die ganze Zeit über, bis hinauf zu unserem Stockwerk, Julia und ihre Kleider unverwandt anstarrte. In einer Spalte zwischen Türrahmen und Korridorwand, in etwa einem Meter Höhe, hatte ich den Schlüssel versteckt; mit einem gefalteten Blatt Papier holte ich ihn nun heraus, schloss die Tür auf und bat Julia einzutreten. Das tat sie; ich drehte den Lichtschalter um, und – es war für mich nun fast ebenso eine Neuheit wie für Julia – der Kronleuchter im Wohnzimmer ging an.
    Sie lächelte glücklich wie ein kleines Kind und blickte mindestens dreimal vom Kronleuchter zum Schalter und wieder zurück. Dann schaute sie mich fragend an, ich nickte, und sie drehte den Lichtschalter vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger, und das Licht ging aus. »Wunderschön«, sagte sie. »Solch klares Licht, und zu jeder Zeit. Und so einfach«, und wieder drehte sie am Schalter.
    »Ich ziehe Gaslicht vor«, sagte ich, aber das erschien ihr so unsinnig, dass sie sich nicht einmal die Mühe machte, darauf zu antworten. Ohne den Blick von dem Kronleuchter zu nehmen, drehte sie erneut an dem Schalter, das Licht ging aus. Ich holte aus einer Schublade Geld und ging nach unten, um den Taxifahrer zu bezahlen; Julia stand noch immer fasziniert und vergnügt vor dem Schalter und machte das Licht an und aus, immer und immer wieder.
    Ich half ihr aus dem Mantel und brachte ihn mit Muff und ihrem Hut zusammen im Dielenschrank unter. Julia fuhr sich mit der Hand durch das Haar, dann folgte ein Moment der Befangenheit. Vermutlich fühlte sie sich ein wenig unbehaglich, mit mir so ganz alleine in meinem Apartment zu sein. Denn zumindest in ihrer gewohnten Umgebung hätte das niemals gutgeheißen werden können. Sie ging darüber hinweg, indem sie meinen Diwan und verschiedene Möbelstücke näher in Augenschein nahm, Dinge, deren Anblick ihr fremd waren. Sie stellte ein paar Fragen, ging dann zum Fenster, wo ich mich zu ihr gesellte, und blickte hinunter auf die Lexington Avenue; wahrscheinlich wunderte sie sich noch immer darüber, hier zu sein.
    Ich erinnere mich an diesen Tag in einer Reihe von Bildern: Julia vor dem Kühlschrank, während ich nach Lebensmitteln suchte, um ein Frühstück zu bereiten; sie staunte über die Kälte, die Möglichkeit, wirkliches Eis machen zu können, über das Gefrierfach und das Licht, das anging, wenn man die Tür öffnete. Ihre Verblüffung über Instant-Kaffee, ihr Vergnügen an dem Duft und ihre Enttäuschung über seinen Geschmack. Ihre Überraschung und Freude über geeisten Orangensaft, den ich aus dem Gefrierfach hervorzauberte, in einem Krug aufrührte und über Eiswürfel goss.
    Und zahllose andere Bilder: Julia im Wohnzimmer, in ihrer Hand das dritte Glas geeisten Orangensaft, während sie vor dem leeren Bildschirm des Fernsehapparats stand. Ich hatte meine Hand am Knopf und warnte vor dem, was nun passieren würde. Sie nickte eifrig, aufgeregt, glaubte mir allerdings nicht oder verstand nicht, was ich meinte. Denn als ich das Gerät anstellte, schrie sie trotz meiner Warnung auf, stolperte nach hinten und verschüttete Saft auf dem Teppich, während die verzerrten Muster auf dem Bildschirm sich zu einem bewegten und sprechenden Bild einer Frau zusammensetzten, die Julia ein neues, verbessertes Geschirrspülmittel aufdrängte. Darauf hatte Jules Verne sie nicht vorbereitet; das Fernsehen überraschte sie völlig. Sie konnte kaum glauben, was sie da sah, selbst nach einiger Zeit noch nicht. Dann fragte sie drauflos, fragte, wie es funktioniere, und hörte meiner ihr nicht verständlichen Antwort zu, blickte abwechselnd auf mich und verstohlen auf den Bildschirm.
    Ich erzählte ihr, dass das, was sie sah, von einem Band kam, die Maschine konnte ihr aber auch Bilder von weit entfernten Ereignissen zeigen, während diese geschahen, in der Annahme, dies würde sie noch mehr in Erstaunen versetzen. Aber sie fragte, was ich mit Band meine, und als ich ihr erklärte, dies sei eine Methode, bewegte Bilder von Menschen und ihren Stimmen zu

Weitere Kostenlose Bücher