Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
beantwortete Fragen. Mit einer Binde vor den Augen nahm ich Objekte in die Hand, beschrieb ihre Form und Größe und manchmal ihren Verwendungszweck. Schließlich sagte Rossoff: »Genug. Mehr als genug. Normalerweise erstrecken sich die Tests über mehrere Tage, manchmal sogar eine Woche, aber … wir wissen noch so wenig über das, womit wir uns gerade beschäftigen, dass das, was wir herausfinden wollen, vielleicht unmöglich ist. Ich habe, was Sie betrifft, ein ausgesprochen gutes Gefühl, und keiner der Tests wird mich davon abbringen können – aber bislang bestätigen Sie ja sowieso meine Annahmen. Soweit es mir jemals möglich sein wird, das überhaupt herauszufinden, sind Sie ein Kandidat für uns.« Er sah zu der geschlossenen Tür hinüber und horchte. Wir konnten das Murmeln einer männlichen Stimme hören, dann das Lachen einer Frau. Rossoff bellte: »Rube, lass Alice in Ruhe und komm herein!«
Die Tür öffnete sich, ein sehr langer, dünner etwas älterer Mann trat ein; Rossoff stand schnell auf. »Ich bin nicht Rube«, sagte der Mann, »und ich habe Alice in Ruhe gelassen. Eigentlich schade, wie ich feststellen musste.«
»Es war genau umgekehrt«, sagte die Schwester, die sich, um den Türknauf fassen zu können, mit dem Kopf vorbeugte und dann lächelnd die Tür hinter sich zuzog.
Rossoff machte uns miteinander bekannt. Es war Dr. E. E. Danziger, der Direktor des Projekts; wir begrüßten uns mit Handschlag. Seine Hand, groß, haarig und mit hervortretenden Venen, wickelte sich um meine, seine Augen starrten mich erregt und fasziniert an, als wollten sie in einem Blick alles über mich in Erfahrung bringen. Die Worte kamen aus ihm herausgesprudelt: »Wie war der Test?« Und während Rossoff es ihm erzählte, betrachtete ich ihn aufmerksam.
Er war ein Mann, den man sofort wiedererkannte, wenn man ihm einmal begegnet war. Er war fünf- oder sechsundsechzig, seine Stirn und seine Wangen waren von tiefen Falten durchzogen; die Wangenfalten glichen geschwungenen Klammern, die in den Mundwinkeln begannen und sich bis zu den Wangenknochen zogen; wenn er lächelte, vertieften und verbreiterten sie sich. Er hatte nur noch wenige Haare und war braun gebrannt, sein Schädel war mit braunen Flecken besprenkelt, der Haarkranz war noch immer schwarz oder vielleicht auch gefärbt. Er musste ein Meter neunzig groß sein, vielleicht auch größer. Er trug eine blaue Fliege mit bunten Tupfen und einen altmodischen, zweireihigen Anzug unter seinem offenen Mantel. Er war gut gebaut, wirkte sehr männlich und trotz seines Alters kraftvoll. Ich hatte das Gefühl, dass er überhaupt nichts dagegen gehabt hätte, sich näher mit Alice zu beschäftigen, und dass sie ihrerseits auch nichts dagegen gehabt hätte.
Dann wandte er sich Rossoff zu und fragte zögernd: »Sie glauben, er ist unser Mann?« Und als Rossoff nickte, sagte er: »Dann schließe ich mich Ihrer Meinung an. Ich habe alles durchgesehen, was wir über ihn haben, und es klingt zumindest sehr gut.« Dann blickte er mich einige Sekunden lang nüchtern und prüfend an. Währenddessen hatte Rube das Büro betreten und schloss nun leise die Tür. Ich fühlte mich unter Dr. Danzigers Blick zunehmend unwohl, als er plötzlich zu grinsen begann. »Okay«, sagte er. »Und nun möchten Sie erfahren, wohin Sie hier geraten sind. Rube wird es Ihnen zeigen, dann werde ich versuchen, es Ihnen zu erklären.« Er hängte seine großen Fäuste in das Revers seines Mantels ein, sah mich wieder nachdenklich an, lächelte dann ein wenig und nickte mit dem Kopf, langsam, zustimmend, wie ich spürte, und ich war erfreuter, als ich gedacht hatte.
»Ich leite den Laden hier«, fuhr er fort. »Eigentlich habe ich ihn gegründet. Und trotzdem beneide ich Sie. Ich bin achtundsechzig Jahre alt. Vor zwei Jahren, als ich begriff, dass dieses Projekt Wirklichkeit werden würde, habe ich begonnen, zum ersten Mal in meinem Leben auf meine Gesundheit zu achten. Ich habe aufgehört zu rauchen. Ich hatte nie gedacht, dass ich das schaffen würde, und wollte es auch nie so recht, aber ich habe es geschafft« – er schnippte mit den Fingern –, »einfach so. Ich entbehre es sehr.« Seine Hand kehrte zu dem Revers zurück. »Aber ich werde nicht mehr damit anfangen. Ich trinke nur noch sehr moderat, aus gesundheitlichen Gründen. Früher habe ich sehr viel getrunken, zu allen möglichen Gelegenheiten, die sich ja sehr oft ergeben. Mir hat es gut gefallen. Aber damit ist nun Schluss. Und
Weitere Kostenlose Bücher