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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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blau-weißen Teller mit Waffeln auf den Tisch und ging zu ihrem Platz hinüber. Sie sagte nichts, ich wusste aber genau, dass sie es vorhatte und was sie sagen würde. Sie zog den Stuhl vor, setzte sich, ordnete ihren langen Rock und rutschte mit dem Stuhl wieder näher an den Tisch heran. Dann zog sie die Serviette aus dem geschnitzten beinernen Ring, breitete sie auf ihrem Schoß aus und legte die Hände auf den Tisch — einen Moment lang funkelte der Ehering im Sonnenlicht. Sie beobachtete mich, versuchte, meine Stimmung einzuschätzen, und schob dann die geschliffene Karaffe mit dem Sirup näher zu mir.
    Schließlich sagte sie mit liebenswürdiger Stimme, um mich nicht zu verärgern. »Si, es ist so weit weg. Und geht dich auch eigentlich nichts mehr an. Nicht mehr. Dein Major Prien leitet das Projekt nun seit – seit drei Jahren? Oder noch länger. Und was immer geschehen ist, ist geschehen.«
    Ich nickte und wusste, dass ich mich nicht aufregen sollte – denn ich konnte gegen meine Schuldgefühle nichts machen. Oft dachte ich monatelang überhaupt nicht an das Projekt, dann schlich es sich wieder in meine Gedanken. Irritiert blickte ich mich im Zimmer um; ich frühstückte hier nicht gern. Der Raum war zu dunkel. Wunderbar am Abend, vor allem im Winter, wenn im offenen Kamin ein Feuer brannte. Dann war das hier ein anderer Raum.
    Unser Haus stieß mit zwei Seiten an Nachbarhäuser, und bis auf die Fenster zur Straße und das Licht des Kronleuchters über dem Tisch gab es hier keine andere Beleuchtung. Ich mochte viel lieber an dem großen runden Holztisch in der Küche essen, die durch die beiden hohen Bogenfenster, die auf Julias kleinen Garten hinausblickten, lichtdurchflutet war. Doch in der Küche zu speisen, war undenkbar für Julia.
    »Julia«, sagte ich, »nichts wäre mir lieber, als das Projekt zu vergessen. Wenn es mir nur gelungen wäre, das zu tun, was ich vorhatte.« Ich dachte darüber nach. »Beinahe wäre es mir geglückt, verdammt noch mal.«
    »Du sollst nicht fluchen«, sagte sie automatisch.
    »Wenn ich es doch geschafft hätte! Wenn ich nur eine Minute früher am Theater gewesen wäre …« Ich lächelte sie an und zuckte mit den Schultern. »Ich hätte hierbleiben können und wäre für immer zufrieden gewesen. Aber es geht mir nicht aus dem Kopf, Julia: Was hat Rube gerade mit dem Projekt vor? Was macht er? Es wäre meine Pflicht, nachzusehen und es herauszufinden.«
    Sie beugte sich zu mir über den Tisch. »Dann sieh nach. Damit es dich endlich in Ruhe lässt.« Sie lehnte sich zurück, setzte ein freundliches Gesicht auf und sagte sanft: »Aber komm wieder zurück.«
    »Haus«, sagte Willy. Er saß auf dem Boden, lehnte mit dem Rücken an der Wand, die Beine ausgestreckt, blätterte die Leinenseiten eines seiner Bilderbücher um, betastete jedes Bild mit seinem kleinen dicken Zeigefinger und versuchte, den jeweiligen Begriff zu sagen. Er war nun mehr als drei Jahre alt, und wir hatten unsere Freude an ihm. Natürlich schauten Julia und ich jetzt zu ihm hin, dann blickten wir uns lächelnd an: Wir hatten diesen kleinen Menschen gezeugt.
    »Vielleicht bin ich nicht mehr in der Lage, zurückzugehen.«
    »Ach. Und warum?« Sie stach mit der Gabel in ihre Waffel.
    »Vor einigen Wochen war ich im Central Park. Um die Schwanenboote für die Ausgabe der letzten Woche zu zeichnen.«
    »Ich weiß. Ich glaube, ich möchte dieses Bild rahmen.«
    »Ja, es ist gut geworden. Aber als ich dort war, in der Nähe des Dakota, wurde es dunkel, und ich habe einen Blick auf mein altes Apartment geworfen. Wie ich es immer tue.«
    »Ich schaue auch immer hinauf. Vor einer Woche oder so hatte ich Willy mit dabei und habe es ihm gezeigt.«
    »Du hast ihm doch nicht gesagt …«
    »Natürlich nicht. Nur, dass Daddy dort einmal gewohnt hat.«
    »Jedenfalls, als ich dort hinaufschaute, waren die Fenster erleuchtet. Es wohnen Leute dort. Ich kann es nicht benutzen, wenn ich zurückwill.«
    »Ist kein anderes Apartment frei?«
    »Würde nichts nützen; es kann im zwanzigsten Jahrhundert belegt sein. Es gibt keine Möglichkeit, um das herauszufinden. Um zurückzukehren, brauche ich einen neuen Durchgangsort, Jule, einen Ort, der zu beiden Zeiten existiert, damit …«
    »Ich weiß, Si, ich weiß.«
    »Nun, Einstein sagte …«
    »Ich möchte nicht schon wieder etwas von Einstein hören. Oder von Durchgangsorten oder von …«
    »Er lebt, weißt du das?«
    »Wer?«
    »Einstein.« Sie hielt sich mit beiden

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