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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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stand oben auf der Brücke und spürte, dass ich mehr über diese Stadt wusste als jemals zuvor, genoss dieses Gefühl der Überlegenheit gegenüber allen anderen, die diesen seltsamen Ort und seine unendliche Vielfalt und Aufregung nicht kannten – ich wusste, ich war bereit. Ich wollte zurück, jetzt; ich musste sie wiedersehen.
    Die Angst davor, das Bedürfnis, hierzubleiben, wo ich sicher war, war nicht verschwunden, aber ruhiggestellt; wurde ignoriert und überwältigt von dem Drang, noch einmal diese Stadt zu sehen. Am Brückengeländer lehnend, begann ich die Prozedur erneut, diesmal aber mit aller Kraft; ich war meiner sicher und wollte es. Ich wusste genau, was zu tun war, und tat es schnell. Ich spürte es, diese kleine Bewegung, das seltsame Gefühl, sich in die Verschiebung der Zeiten zu begeben. Reglos stand ich da, starrte auf das schwarze Wasser hinunter und befreite mich aus meiner Hypnose. Ich spürte das Ende der Zeitverschiebung – und dann, abrupt, das plötzliche, erregende und unmissverständliche Gefühl, an einem neuen Ort zu sein.
    Ich wusste genau, wo ich mich befand, war mir dessen ganz sicher und war nicht überrascht, als ich mich umdrehte, sondern spürte nur ein erhebendes Gefühl, als ich die hohen funkelnden Lichterwände erblickte, die sich wie eine Bergkette vor mir auftürmten und glitzerten, dass einem der Atem stockt. Da war es – das unvergleichliche Manhattan Island im späten zwanzigsten Jahrhundert.
    Der plötzliche Anblick anderer Brücken verwirrte mich einen Augenblick; ich hatte sie vergessen. Obwohl ich mir immer einbilde, ich könne so gut tanzen wie Gene Kelly, schritt ich gemächlich hinab zu der schimmernden Stadt. Dann – ich kann wirklich so gut singen wie Gene Kelly – begann ich leise meinen Lieblingssong aller Lieder über New York zu singen. »I’ll take Manhattan …«, und meine Lieblingszeile: »the Bronx and Staten … Island, too.« Das war der gesamte Text, den ich parat hatte, aber ich kannte die Melodie: »Dah, dah, dah, di … dah, di!« Ich war die East River Bridge hinaufgegangen, nun schritt ich mit einem guten Gefühl die Brooklyn Bridge hinab.
    Manhattan stank ein wenig, nicht viel; ich hatte meine Immunität gegen Abgase verloren. Ein Taxi stand mit erleuchtetem Schild auf dem Dach direkt an der Brückenzufahrt, ich wusste nicht warum. Vielleicht kamen Leute um ein Uhr morgens von der Brücke herunter, oder vielleicht wollte er einfach nicht arbeiten. Ich fasste nach dem Türgriff, öffnete aber nicht: »Sind Sie frei?« Er schaltete das Licht auf dem Dach aus, lehnte sich ein wenig zurück, um mein Fahrziel zu hören, bevor er sagen würde, dass er frei war. »Plaza Hotel«, sagte ich, stieg ein, und er überraschte mich: »Ja, Sir«, sagte er höflich und stellte den Taxameter an. Als wir losfuhren und eine Straßenlampe passierten, sah ich, dass er ziemlich dunkel war. Ein Jamaikaner, dachte ich.
    Ich lehnte mich ein Stück aus dem offenen Taxifenster hinaus, um die Stadt zu betrachten, zu der ich nun zurückgekehrt war. Das Taxi bremste ab, als es in die 5th Avenue einbog. Ich freute mich, das alte Hotel wieder zu sehen. Ich war oft genug im Plaza gewesen, aber im neunzehnten Jahrhundert war es – für mich – verschwunden. Noch nicht erbaut, natürlich, nur der Platz war da. Nun war es – für mich – wieder hier.
    Das Folgende hatte ich genau geplant. Bevor das Taxi ganz zum Halten kam, sprang ich hinaus und bat den Fahrer: »Kommen Sie mit rein!« Sie können wetten, dass er das tat; er zog die Handbremse an, stellte die Zündung aus, und so schnell er konnte, heftete er sich an meine Fersen.
    Der Mann an der Rezeption war groß, schlank – die Figur eines Athleten – und erstaunlich schön; das Namensschild an der Rezeption wies ihn als Michael Stumpf, Manager aus. Als ich ihn begrüßte, setzte ich mein bestes Lächeln auf und sagte: »Mein Flug hatte Verspätung, deswegen komme ich so spät. Ich hoffe, Sie haben ein Zimmer für mich.«
    »Haben Sie reserviert?«
    »Tut mir leid, nein.«
    Er ließ einige Karten durch seine Finger gleiten. »Einzelzimmer?« , fragte er mit ausdruckslosem Gesicht; den großen Taxifahrer hinter mir nahm er überhaupt nicht wahr; ich musste lächeln: er verstand es wirklich, den ›unerschütterlichen‹ Portier zu spielen.
    »Ja.«
    »Nun«, sagte Mike, lächelte sogar ein wenig und zwinkerte dem Taxifahrer zu, der grinste – plötzlich waren wir alle eine eingeschworene

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