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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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lächelte. »Keine Eile«, sagte er. »Sie rufen das noch ein halbes Dutzend Mal aus, doch keiner beachtet es. Aber wenn Sie das Schiffshorn hören, dann wird es ernst. Wir treffen uns dann auf dem Gehweg an der Treppe; der Kai wird ziemlich voll sein. Und der Erste, der oben ist, besetzt ein Taxi, es wird nur wenig freie geben.«
    Aber kurz darauf – das Jotta Girl und ich wanderten umher, wir begannen gerade uns ein wenig zu langweilen – wurden die Aufforderungen, das Schiff zu verlassen – immer dringlicher. Dann wurden sie mit einer Glocke unterstützt, die von Jungen geläutet wurden, die laut rufend das Schiff durchquerten. Schließlich die schaurigen langen Töne des Schiffhorns. Einen Augenblick lang war ich wieder in der Greyhound -Matinée und eilte den Gang dort hinauf. Schnell, schnell – oder du wirst auf die See hinausgetragen!
    Durch eine der offenen Seitenluken kämpften sich das Jotta Girl und ich durch die Menge zu einer Gangway durch. Dann, wir hielten uns an den Händen, um nicht getrennt zu werden, stiegen wir die steilen Stufen hinab, bis wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten, zurück in die Wirklichkeit. Doch wir verweilten noch ein wenig am Kai und bestaunten noch einmal von dort aus den riesigen Schiffsleib. Viele Passagiere hatten sich nun entlang der Reling versammelt, die Freunden noch ein paar Abschiedsworte hinunterriefen, während Stewards dort oben etwas an sie zu verteilen schienen. Es waren dünne farbige Papierrollen, die die Passagiere an einem Ende festhielten und dann hinabwarfen. Sie entrollten sich dabei und wurden von den Freunden unten aufgefangen. So verbanden plötzlich Hunderte von diesen bunten Papierbändern das Schiff mit dem Pier; die Gangways wurden nun zügig weggerollt und die Luken geschlossen und waren von der langen Schiffsseite bald nicht mehr zu unterscheiden. Hinter der mächtigen Mauretania begannen die Maschinen der Schlepper ihren aufwühlenden Kampf mit dem Wasser; aus ihren Schornsteinen stiegen schon schwarze Rauchwolken. Möwen schrien, stiegen in die Lüfte und ließen sich von ihnen tragen; zwischen Kai und Schiff erschien nun ein Streifen grauen Wassers. Dann erklang noch einmal der tiefe Ton des Horns, der große, schmerzliche Abschiedsgruß eines Riesen. Wieder und immer wieder.
    Die Mauretania glitt an uns vorbei hinaus in den Hudson, die Papierbänder zerrissen; die Reise hatte begonnen. Fasziniert starrten wir ihr nach. Das Heck glitt an uns vorbei, und wir schauten zu den erleuchteten Decks hinauf, wo Passagiere sich winkend verabschiedeten – und Archie, auch Archie stand dort oben an der Reling; seine Hand zu einem Gruß erhoben, und verabschiedete sich verlegen und, wie ich glaube, um Verzeihung bittend.

25
    Und so habe ich ihn verloren, Rube. Was hast du denn gedacht? Was hast du anderes erwartet? Ich hätte dies und jenes tun können, sagst du vielleicht. Aber ich bin keine Spürnase. Machte das Beste daraus, was nicht eben viel war. Ich weiß, ich weiß. Diese Gedanken gingen mir wie ein Mühlrad im Kopf herum, während ich in meinem Zimmer im zehnten Stock stand und auf den dunklen Central Park hinabblickte. Ich war sehr müde, legte meinen Mantel ab und wusste eigentlich nicht so recht, was ich von der ganzen Entwicklung halten sollte. Ich hatte versagt. Andererseits, sagte ich mir, wozu auch immer Rube mich überredet hatte, es war mir stets als unrealistisch oder unmöglich erschienen, ein Ereignis wie einen Krieg, an dem fast die gesamte Welt beteiligt war, zu verhindern. Und dann wieder war ich mir nicht sicher, ob Dr. Danziger nicht doch recht hatte: Verändere niemals die Vergangenheit … oder du veränderst die Zukunft, auf eine Art und Weise, die nicht vorherzusehen ist.
    Ich kam mir so dumm vor, während ich auf das Pflaster und die schimmernden Gleise der ruhigen 5th Avenue hinunterblickte. Doch dann – wie es manchmal so ist – kam aus dem Nichts ein Gedanke und setzte sich in mir fest. Gleich darauf stürmte ich in Hemdsärmeln aus meinem Zimmer und nahm die Treppe hinunter zum Eingang, wo mir der Nachtportier verblüfft hinterherblickte. Der Zeitungsstand hatte zwar geschlossen, aber die Zeitungen lagen trotzdem aus; man warf das Geld dafür in eine leere Zigarrenkiste. Zwei Ausgaben der Evening Mail waren noch übrig. Ich kaufte eine.
    In meinem Zimmer blätterte ich sie rasch durch, fand die Wanamaker-Anzeige, die das Interesse des Jotta Girls erregt hatte und riss – so gut ich sie

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