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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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plötzlich westlich von uns zu einem ohrenbetäubenden Geläut an. Kate richtete sich auf, ich schaute hinaus, und da kam es direkt auf uns zu: ein Gespann schneeweißer Pferde mit wehenden Mähnen und stampfenden Hufen, die einen rot-goldenen Feuerwehrwagen zogen. Der Kutscher schlug mit der Peitsche auf die Pferde ein, weißer Schneestaub wurde, ähnlich wie das Fahrwasser eines Schiffes, hinter dem Wagen aufgewirbelt. Die Glocke schlug nun wie wild, das Stampfen der Hufe auf den Pflastersteinen war so schnell und so gleichmäßig, dass es einem Donnern glich. Es war ein furchterregender Anblick, als das Feuer verschlingende Ungetüm auf uns zukam; unser Kutscher ergriff Zügel und Peitsche und lenkte den Wagen über die Straße und aus dem Weg. Hinter uns sahen wir es die 5th hinaufrasen, mit blitzenden Speichen; andere Fahrer hielten an, fuhren zur Seite und machten ihm den Weg frei. Vier oder fünf Blocks weiter hörten wir den alarmierenden Ton erneut, diesmal im Süden, und mir wurde bewusst, dass dies eine Stadt aus Holzbalken, Holzböden und Holzwänden war, mit offenen Feuerstellen und offenem Licht.
    Unterdessen klapperten wir weiter, Block für Block näherten wir uns Downtown, dem geschäftigen Teil der Stadt; der Straßenverkehr nahm zu. Dann wurden Kate und ich plötzlich unsanft gegeneinandergeworfen. Die Droschke hatte angehalten und war zur Seite, in den Matsch des Straßenrands, ausgewichen. Dann ruckelte sie, fuhr an, ich setzte mich wieder aufrecht hin, hörte den Fahrer fluchen und öffnete mein Fenster, um den Kopf hinauszustrecken; der Lärm war infernalisch.
    Wir befanden uns auf der Kreuzung Broadway und 5th; unzählige Wagen strömten aus dem Broadway heraus und versuchten, sich in unsere Fahrtrichtung einzureihen, was gerade noch möglich war. Manche aber versuchten tatsächlich, die 5th zu überqueren, was fast unmöglich war. Fast jeder Wagen hatte vier Räder, die alle eisenbeschlagen waren und auf den Pflastersteinen dröhnten, jedes Pferd hatte vier Hufeisen, die dasselbe taten; der Verkehr verlief völlig ungeordnet. Räder klapperten, Holz ächzte, Ketten rasselten, Leder krachte, Peitschen schnalzten auf Pferderücken, Männer brüllten und fluchten – keine Straße, die ich im zwanzigsten Jahrhundert kennengelernt habe, erzeugte nur halb so viel ohrenbetäubenden Lärm wie diese hier.
    Auf der Kreuzung von 5th Avenue und Broadway standen lackierte Lieferwagen mit mageren Pferden davor. Es gab flache Wagen mit übergroßen Rädern, die turmhoch mit Fässern, Kisten, Säcken beladen waren und die teilweise Gespanne aus bis zu sechs Pferden hatten, riesige, vor Schweiß dampfende Warmblüter; schwarze, braune, grüne, ockerfarbene Droschken, manche heruntergekommen, andere elegant, die vor Glas und Lack nur so glitzerten. Sie rollten, standen oder ratterten über die Steine, verlangsamten das Tempo und hielten vor den kleinen Knäueln und Wagenansammlungen an. Auch Kate lehnte sich nun aus ihrem Fenster, wir sahen ein Zugpferd auf der Kreuzung, das mit den Hinterbeinen ausschlug und wieherte; ich sah einen Fuhrwerkkutscher aus dem Broadway kommen, der vor seinem Sitz stand und mit der Peitsche auf die eigenen und auf fremde Pferde einschlug, die ihm in den Weg kamen. Andere Kutscher saßen dagegen regungslos unter offenem Himmel auf ihrem hohen Bock, vor Kälte zusammengekrümmt und bis zur Hüfte in alte zerrissene Decken gewickelt; sie trugen tief in die Stirn gezogene Pelzoder Strickmützen und riesige Mäntel aus geflicktem Stoff oder abgescheuertem Pelz. Dann waren wir über die Kreuzung hinweg, nahmen auf der 5th unser gleichmäßiges Klappern wieder auf, und ich rief dem Fahrer zu: »Man sollte Ampeln aufstellen!« Er öffnete seine Luke.
    »Was meinen Sie?«
    »Man sollte Signallichter einführen, um den Verkehr zu regeln«, sagte ich, aber natürlich starrte er mich nur an, dann schloss sich die Luke wieder. Am Washington Square bogen wir links ab – kein steinerner Bogen wölbte sich über dem Eingang, und wieder schien es mir, als sei er entfernt, statt noch nicht errichtet worden – hinüber zum Broadway. Ich hielt Kates Hand; mein Körper, meine Sinne und meine Aufnahmefähigkeit waren erschöpft. Kate lehnte ihren Kopf an das harte Lederpolster, ich tat es ihr gleich und betrachtete die Telegrafendrähte, die aufgetaucht waren, als wir in den Broadway eingebogen waren und die oberhalb des Kutschenfensters endlos hin und her liefen. Ich setzte mich nicht mehr auf

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