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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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hieß der Präsident Andrew Jackson. Er kann sich noch an ein Amerika erinnern, das vor allem aus unerforschter Wildnis bestand.« Dort saß er, ein lebender, atmender Mann mit diesen Erinnerungen, und ich starrte verwundert auf das Heben und Senken seines Brustkorbs.
    The Rev. and Mrs. C. H. Gardner’s Boarding and Day School for Young Ladies and Gentlemen zog an der Ecke der 49th an unserem Fenster vorbei; 603 Fifth stand auf dem polierten Messingschild an der braunen Sandsteinfassade. Dann, nach der 48th, flüsterte Kate: »Da ist es, 589!« Ich verstand sie nicht, und sie zischte: »Carmodys Haus!« Ich drehte mich auf der Bank um, um es zu sehen. Es war großartig: eine große, wundervoll proportionierte Villa aus braunem Sandstein mit einer reich verzierten Umzäunung aus Bronze und kleinen Rasenrondellen. Wir staunten es an, während es vorüberzog; ich war überrascht. Fast war ich mir sicher, es schon einmal gesehen zu haben. Es schien mir vertraut zu sein, dann fiel es mir ein. Es sah aus wie die große James-Flood-Villa aus Sandstein, die auf Nob Hill im San Francisco des zwanzigsten Jahrhunderts überlebt hatte; selbst den Bronzezaun gab es dort, und ich fragte mich, ob sie nicht vom selben Architekten geschaffen worden waren. Wir waren fast daran vorbei, warfen ihr noch einen letzten Blick zu und fragten uns, ob sich Andrew Carmody – jetzt, Jahre bevor er sich in Gillis, Montana, erschießen sollte – irgendwo in diesem Haus aufhielt.
    Viele Seitenstraßen folgten aufeinander – 49th, 48th, 47th, 46th –, fremde, gleichförmige Straßen mit ununterbrochenen Reihen von braunen Sandsteingebäuden mit hohen Veranden, ähnlich den Blocks, wie sie noch in der West Side existieren. Wir näherten uns dem Herzen der City, auf den Straßen zeigte sich mehr und mehr Leben. Und hier waren sie nun, lustwandelten auf den Gehwegen, überquerten die Straße – die vielen Menschen. Und ich schaute hinaus, ehrfürchtig, dann erfreut; betrachtete die bärtigen, den Spazierstock schwingenden Männer mit ihren kleinen glänzenden Seidenhüten, oder Pelzkappen, wie meine eigene; mit hohen Melonen wie die des Mannes uns gegenüber und jüngere Männer in flacheren Melonen. Fast alle trugen bis weit hinunterreichende schwere Mäntel, die Hälfte der Männer schien mit Kneifer ausgerüstet zu sein, und wenn die älteren Männer, diejenigen mit den Seidenhüten, einem Bekannten begegneten, berührten sie zum Gruß mit der Stockspitze die Krempe des Hutes. Die Frauen trugen Tücher oder Hüte, die mit Bändern unter dem Kinn gebunden waren, kurze, taillierte Cutaways oder Capes oder mit Broschen zusammengehaltene große Wollschals. Einige hatten Muffs oder Handschuhe; alle trugen geknöpfte Schuhe, die unter den langen Kleidern hervorblitzten und wieder verschwanden.
    Hier – nun, hier waren sie endlich, die Leute von den alten Holzschnitten, nur … sie bewegten sich. Die schwingenden Mäntel und Kleider auf den Gehwegen und den Straßen vor und hinter uns glänzten in frischen Farben – ockerfarben, dunkelgrün, blau, braun, tiefes Schwarz –, und ich sah das Schimmern des Lichts und die Schatten in den sich ständig ändernden Faltenwürfen. Das Leder und der Gummi ihrer Schuhe pressten sich in den Schneematsch und hinterließen Abdrücke, ihr Atem strich in die Winterluft, war nur einen Moment zu sehen. Und durch die zitternden, ratternden Glasscheiben des Busses hörten wir ihre Stimmen, hörten ein Mädchen laut auflachen. Während wir ihre von der Kälte geröteten Gesichter anschauten, hätte ich vor Freude schreien mögen.
    Innerhalb von zwei Blocks war ein halbes Dutzend Menschen zugestiegen; einer der Melone tragenden Männer mit Kneifer, einige andere, und dann, irgendwo auf der Höhe der Forties, fuhren wir an die Bordsteinkante, eine Frau stieg ein, ging an uns vorbei zum Fahrgeldkasten, und ihr langes Kleid streifte unsere Beine. Sie trug einen mit Blumen verzierten Filzhut, einen einfachen schwarzen Mantel, einen langen blassgrünen Schal, und der Saum ihres Kleides, der unter dem Mantel hervorschaute, war purpurrot. Eine Frau in den Dreißigern. Mein erster Eindruck, als sie den Gang entlangschritt, war, dass sie schön war. Dann fiel ihr Geld klimpernd in den Kasten, sie drehte sich um und – Kate und ich saßen direkt an der Tür – ließ sich im vorderen Teil des Wagens nieder. Das ist die Zeichnung, die ich später ausgearbeitet habe. Nun konnte ich ihr Gesicht deutlich sehen; schnell

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