Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
allerdings war ich froh darüber. Ich verließ Felix, der noch einige Abzüge anfertigen wollte, und als ich an diesem Abend in mein Zimmer zurückkehrte, fand ich vor der Tür einen Packen Bilder; die Porträts aller Hausbewohner, mein eigenes eingeschlossen, neben einigen Aufnahmen vom Haus selbst.
Dies hier ist eines von ihnen und zeigt Felix selbst; er ist gut getroffen, nur etwas ernster, als ich ihn kennengelernt hatte; jedes Mal, wenn ich mit ihm redete, grinste er und war sehr aufgeregt.
Auch mein eigenes Porträt füge ich gleich mit bei. Ich vermag nicht zu sagen, wie gut ich getroffen bin, doch glaube ich, dass ich im Großen und Ganzen, mit Bart und allem, so ausgesehen habe. Ich habe nie behauptet, dass ich besonders gut aussehe.
Ich verabschiedete mich von Felix und begab mich zum großen vorderen Salon, der von der Diele abging. Ein Feuer brannte in dem großen, schwarzen, vernickelten Ofen, der auf einer Metallplatte an der Wand stand. Über dem Ofen erhob sich ein ebenfalls vernickelter, dreißig Zentimeter großer Ritter in Rüstung; ich trat näher, um ihn zu betrachten, fasste ihn an und zog im selben Moment die Hand wieder zurück: er war heiß. Hinter Schiebetüren hörte ich das Klappern von Porzellan und Besteck und das Gemurmel von Stimmen. Eine von ihnen gehörte Julia, die andere einer älteren Frau. Ich nahm an, sie deckten den Tisch; ich hustete.
Die Türen wurden geöffnet, und Julia trat ein. Sie trug ein ockerfarbenes Kleid mit weißem Kragen und weißen Ärmelaufschlägen; es war ein anderes als das, in dem Felix sie fotografiert hat.
Das ist ihr Porträt; das Haar so frisiert, wie sie es auch an jenem Abend trug, es reicht gerade bis zu den Ohrspitzen und wird in einem lockeren Knoten am Hinterkopf hochgesteckt. Hinter Julia sah ich einen fast fertig gedeckten Tisch; dann trat eine schlanke Frau mittleren Alters in den Salon. Das ist Felix’ Porträt von ihr; es ist ihm sehr gut gelungen; genauso sah sie aus. Julia sagte: »Tante Ada, das ist Simon Morley, der ohne Referenzen und ohne großes Gepäck angekommen ist. Aber mit einer Überfülle von schmeichelnden Worten, die er sehr generös verteilt. Mr. Morley, Madam Huff.« Die Tante, über Julias Worte lächelnd, machte daraufhin wahrhaftig einen Knicks vor mir, was ich niemals zuvor gesehen hatte. »Guten Abend, Mr. Morley.«
Es erschien mir nur zu angebracht, mit einer Verbeugung zu antworten. »Guten Abend, Madam Huff. Miss Julias Worte lassen mir nichts anderes übrig, als Ihnen zu sagen, dass ich mich glücklich preise, in diesen illustren Kreis aufgenommen zu sein. Dies hier ist ja ein besonders reizendes Zimmer.« Ich staunte selbst über meine Worte.
»Darf ich es Ihnen zeigen?« Tante Ada umfing den Raum mit einer Handbewegung. Ich musste gar kein Interesse heucheln, ich schaute mich neugierig um. Hier folgt das Foto, das Felix mit seiner Geburtstagskamera aufgenommen hat; es zeigt natürlich nicht das ganze Zimmer. Es war mit Teppichen ausgestattet und an den Fenstern hingen, neben weißen Spitzengardinen, purpurfarbene Samtvorhänge, die mit Fransen und kleinen Kügelchen besetzt waren. Es gab zwei große, mit Brokat bezogene Sofas, zwei Schaukelstühle aus Holz und schwarzem Leder, drei gepolsterte Sessel und einen Sekretär; die tapezierten Wände schmückten Bilder in vergoldeten Rahmen.
Aber Tante Ada führte mich sogleich zu einer Vitrine in der Ecke. »Das hier sind einige der Dinge, die Mr. Huff und ich von unseren Reisen nach Europa und in das Heilige Land mitgebracht haben.« Sie zeigte sie mir. »Diese Phiole enthält Wasser vom Jordan. Und das hier sind Marmorfragmente, die wir im Forum Romanum gefunden haben.« Sie erzählte mir kleine Geschichten zu allem, was sie mir zeigte; ein kleiner Fächer aus Frankreich, ein Souvenir an die Revolution; ein goldfarbener Pantoffel, der ein samtbezogenes Nadelkissen barg und den sie in Belgien gekauft hatte; eine Muschel, die ihr verstorbener Ehemann am Strand des englischen Seebades gefunden hatte, wo sie Quartier genommen hatten. Sie schloss mit dem Höhepunkt ihrer Sammlung: einem braunen, gepressten Gänseblümchen vom Grab Shelleys.
Der junge Felix kam die Stufen herunter und in den Salon gepoltert. Er hatte einen frischen Kragen angelegt, sich mit einer Krawatte, Weste und goldenen Uhrkette versehen und trug eine kurze schwarze Jacke und schwarz-weiß karierte Hosen. Als er sah, dass ich durch den Raum geführt wurde, zwinkerte er mir zu. Er setzte
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