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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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auf und ab. Jeder machte es nach. Felix war der Nächste, und er beendete das Spiel mit einem Zwillingsfächer von den Sandwich-Inseln, indem er die Füße vom Boden hob und mit ihnen zu fächeln begann. Als wir all diese Bewegungen dann auf einmal machten, brachen wir in schallendes Gelächter aus; es war wirklich lustig. Wir lagen in unseren Stühlen und fächelten mit Händen, Kopf und Füßen gleichzeitig.
    Tante Ada sagte: »Wo ist die Tschechoslowakei, Mr. Morley?«
    »Nun, ich glaube südlich von Deutschland.«
    Sie nickte und akzeptierte die Antwort, ebenso Maud Torrence. Aber die beiden Männer und Julia blickten mich befremdet an. Mir wurde klar, was hier nicht stimmte; es gab noch gar keine Tschechoslowakei, es würde sie noch jahrzehntelang nicht geben. Ich grinste, um zu zeigen, dass ich nur Spaß gemacht hatte.
    Felix’ Gesicht war gerötet, seine Augen leuchteten; es war für ihn ein wunderbarer einundzwanzigster Geburtstag, und er sagte: »Julia? Tableaux vivants! «
    »Gut.« Was immer es auch sein mochte, sie fand die Idee großartig. »Soll ich zuerst?« Er nickte, und sie sagte: »Dann brauche ich Sie und Byron.« Sie gingen ins Esszimmer und schlossen hinter sich die Schiebetüren, Tante Ada drehte die Lichter des Salonkronleuchters herunter. Dann lächelten sie und Maud erwartungsvoll zu der geschlossenen Tür hinüber; als sie zu mir hinüberblickten, tat ich es ihnen nach. Julia rief »fertig«, und Tante Ada, die der Tür am nächsten war, öffnete sie.
    Der Raum hinter ihnen war ganz hell erleuchtet, die drei standen auf der Schwelle wie auf einer Bühne; sie stellten unbeweglich ein lebendes Bild dar. Byron und Julia sahen zu Felix, der auf einem Bein stand, das andere leicht erhoben. Unter einem Arm hielt er einen Stecken wie eine Art Krücke; sein Mund war offen, als wollte er etwas sagen, die Augen weit aufgerissen. Julias Kopf war nach hinten geworfen, ihr Mund war ebenfalls offen und die Augen so weit aufgerissen wie die von Felix. Auch Byron sah innerlich sehr bewegt aus, er hatte den Handrücken gegen die Stirn gepresst.
    So standen sie und schwankten leicht, während wir stumm dasaßen und sie anstarrten. Dann sagte Maud mit enttäuschter Stimme: »Oh, ich kenne es leider, ich kenne es sehr gut!«
    Plötzlich schrie Tante Ada triumphierend: »Die Rückkehr des Soldaten!«, und das tableau vivant brach kopfnickend und schwatzend auseinander. Tante Ada erhob sich; augenscheinlich war nun die Reihe an ihr. »Ich brauche Sie, Mr. Morley«, sagte sie, und ich folgte ihr in das Esszimmer und zog die Türen hinter mir zu. »Kennen Sie die Sklavenauktion?« , fragte sie voller Eifer. Stirnrunzelnd stand ich vor ihr, dann musste ich bekennen, dass ich sie leider nicht kannte. »Das macht nichts, ich helfe Ihnen. Wir brauchen einen Hammer.« Sie schaute sich um, eilte dann zu einem Wandschrank und kam mit einem großen Schöpflöffel zurück. »Das hier tut’s auch. Halten Sie ihn wie einen Hammer.« Sie schob einen Stuhl an die Türen und drehte ihn mit der Lehne zum Salon. »Steigen Sie hinauf, das ist das Podest des Auktionators.« Ich gehorchte. »Erheben Sie den Hammer; Sie rufen gerade ›zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten!‹« Ich tat es, und Tante Ada kniete vor dem Stuhl und legte die Handgelenke übereinander, als seien sie gebunden. »Fertig!«, rief sie ziemlich aufgeregt und senkte dann ihr Kinn auf die Brust.
    Die Türen gingen auf, und obwohl ich mich nicht bewegte  – die Hand mit dem Hammer erhoben, den Mund geöffnet  –, merkte ich, dass ich errötete. Aber alle erkannten das lebende Bild sofort und schrien fast gleichzeitig: ›Die Sklavenauktion‹. Dann überhäuften sie uns mit Komplimenten, als hätten sie es so schnell erraten, weil wir es so gut dargestellt hätten.
    Nach einiger Zeit – es folgten noch weitere tableaux vivants: Der verwundete Scout und Rückzug des Geliebten  – hatte ich herausgefunden, was wir da taten. Wir imitierten die Posen der Figuren von Statuengruppen, die ein Mann namens Rogers gemacht hatte und die in Gips tausendfach reproduziert wurden. Anscheinend besaß jedes Haus eine solche Rogers-Gruppe – Das Wiegen des Kindes vor Tante Adas Kamin war eine davon –, und jeder war mit den meisten von ihnen vertraut. Ich machte die anderen einfach nach und versuchte so zu blicken, als würde ich die Titel durchgehen, die auf unsere Darstellungen zutrafen. Neben mir saß Maud und kratzte gedankenverloren ihre Initialen in die

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