Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
weicher. »Ich sagte … stecken Sie es hoch«, und Julias Hände griffen nach hinten und gehorchten unverzüglich.
Ich drehte mich zur Tür um; Pickering kam nun auf mich zu, seine braunen Augen waren bar jeden Ausdrucks, sodass sie bedrohlich wirkten wie der leere Blick eines Hais. Er blieb vor mir stehen. Einen Moment, der sich ewig hinzuziehen schien, starrten wir uns nur an; um uns herum war es vollkommen still. Ich war fasziniert: Hier war er nun also, der Mann, der den langen blauen Briefumschlag aufgegeben hatte.
Dann lächelte er plötzlich, sein Gesicht strömte über vor Freundlichkeit, die Augen waren warm – eine augenblickliche Veränderung –, und er stellte sich vor. »Ich bin Jacob Pickering, ein Gast hier, wie Sie.« Er schüttelte mir mit freundlicher Miene die Hand, sein Griff nahm allerdings mit jedem Moment an Stärke zu. Ebenso freundlich lächelte ich zurück und legte alle Kraft, die ich hatte, in meine Hand. Wir kämpften, hier in diesem wohlig warmen Zimmer, unbemerkt von den anderen, unsere Unterarme begannen leicht zu zittern, während wir uns gegenseitig zulächelten und ich ihm meinen Namen nannte und unsere Hände, deren Knöchel weiß hervortraten, langsam auf und ab bewegten, als hätten wir vergessen aufzuhören. Dann hatte mein Griff seine höchste Stärke erreicht, während die seine weiterhin zunahm; ich spürte, wie meine Handknochen zusammengepresst wurden. Meine Finger, plötzlich kraftlos, öffneten sich in seiner Faust; ich klammerte mich an mein Lächeln, leise mahlten die Zähne, und ich wusste, dass ich schreien wollte, es aber nicht tun würde. Dann, kurz bevor er mir buchstäblich die Knochen meiner Hand gebrochen hätte, ließ sein Griff nach, ein letzter kurzer schmerzhafter Druck, und noch immer warm lächelnd, wies er kopfnickend auf meine Zeichnung am Fenster. »Sie sind tatsächlich talentiert, Mr. Morley. Sehr talentiert.« Er hatte sich von mir abgewandt und ging schnell zum Fenster. »Aber ich hoffe, Sie haben Madam Huffs Fensterglas nicht zerkratzt.« Er beugte sich nach vorne, holte, mit dem Gesicht nur wenige Zentimeter vom Fenster entfernt, schnell und tief Luft und atmete mit aller Kraft aus; in der Mitte der Scheibe entstand ein aufgetauter Kreis, der bald auf die Größe eines Tellers anwuchs. Bis auf die äußeren und nun bedeutungslosen Teile war die Zeichnung verschwunden.
»Nein«, sagte er, als er das klare Glas untersuchte, »glücklicherweise ist nichts passiert.« Er bedachte die Skizze an der anderen Fensterscheibe mit einem Blick voller Abscheu, dann drehte er sich um und lächelte uns an.
»Mir hat es nicht gefallen, Mr. Pickering«, sagte Julia. »Mir hat es überhaupt nicht gefallen.« Sie wandte sich mir zu. Ihre Augen loderten, ihre Hände waren noch immer mit den Haaren beschäftigt. »Vielleicht machen Sie noch einmal eine Zeichnung von mir, Mr. Morley?«, sagte sie. »Auf Papier. Eine, die ich aufheben kann. Es würde mir eine Freude sein, Ihnen jederzeit Modell zu sitzen!«
Meine Hand hatte ich in die Hosentasche gesteckt. Und dort behielt ich sie auch, denn ich war mir sicher, dass sie ganz rot war und bald anschwellen würde; sie schmerzte ziemlich. »Es wird mir eine Freude sein, Miss Julia. Eine ausgesprochen große Freude.« Während ich das sagte, beobachtete ich Pickering und setzte hinzu: »Tatsächlich bestehe ich darauf.«
Er lächelte nur: über mich, über alle anderen. »Vielleicht hatte ich unrecht«, sagte er und senkte in gespielter Demut leicht den Kopf. »Manchmal handle ich etwas übereilt.« Dann hob er den Kopf und blickte mir gerade in die Augen. »Wenn es meine Verlobte betrifft.«
Tante Ada, Maud, Byron und Felix begannen sich zu unterhalten und taten alles, um den unangenehmen Zwischenfall vergessen zu machen. Julia eilte in das Esszimmer und in die Küche, wo sie Tee zubereitete. Byron Doverman sagte etwas zu Pickering, der darauf seinerseits etwas zur Antwort gab. Tante Ada kam zu mir herüber, und ich stellte ihr eine Frage über einen kleinen Gegenstand in der Vitrine: eine dünne Glasphiole, die mit einem Korken verschlossen war. Es stellte sich heraus, dass sie Sand aus der Sahara enthielt.
Wir nahmen den Tee ein, den Julia auf einem großen Holztablett servierte. Wieder folgten einige Minuten der Unterhaltung, wobei allerdings weder Pickering noch ich miteinander sprachen oder uns gar anblickten. Zum Schluss gab jeder Felix noch einmal die Hand und gratulierte ihm noch ein letztes Mal, und
Weitere Kostenlose Bücher