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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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über mein ungewöhnlich reges Interesse. Dann waren wir da, standen direkt davor; den Kopf weit in den Nacken gelegt, starrte ich zu diesem riesigen Arm hoch, der aus einem rechteckigen Steinblock herauswuchs. Mir war nie bewusst geworden, dass er so groß war; riesig, ein enormer Unterarm, der in einer zur Faust geballten rechten Hand endete, mit Fingernägeln, so groß wie Briefpapierbögen, und die große Kupferfackel, die diese Hand hielt, erreichte die Höhe eines dreistöckigen Gebäudes. Von sehr weit oben, über das verzierte Geländer gelehnt, das den Kranz der Fackel umlief, blickten Leute auf uns herab. »Die Freiheitsstatue«, murmelte ich ungläubig zu Julia. »Wahrhaftig der Arm der Freiheitsstatue!«
    »Ja doch!« Verwirrt und amüsiert lachte sie über mich. »Er steht schon seit einiger Zeit hier, er wurde von der Weltausstellung in Philadelphia hierhergebracht.« Sie schaute unbeteiligt an ihm hoch. »Die ganze Statue soll eines Tages im Hafen aufgestellt werden«, sagte sie ohne jedes Interesse. »Wenn denn jemals entschieden werden sollte, wo, und wenn genügend Geld aufgebracht werden kann. Niemand scheint daran interessiert zu sein; manche meinen, es wird niemals geschehen.«
    »Nun, ich behaupte, es wird geschehen!«, antwortete ich enthusiastisch und ohne Bedenken. »Und ich behaupte außerdem, Bedloe’s Island ist genau der richtige Platz!« Dann starrte ich wieder hoch, freute mich darüber, dass der Arm noch nicht verwittert und mit Grünspan überzogen war, so wie ich ihn kannte, sondern neu, das Kupfer hatte noch seine ursprüngliche Farbe, war nur an manchen Stellen matt; auf den Knöcheln und der geschwungenen Linie des Geländers darüber und der Fackelspitze schimmerte matt die Wintersonne.
    Wir stiegen den Arm hoch, kletterten die enge Wendeltreppe innen hinauf, stießen mit Leuten zusammen, die herunterkamen, und traten auf die kreisförmige Plattform hinaus. Ich sah über den Madison Square, diesen wundervollen, fröhlichen, winterlichen Platz, sah über den weit entfernten Helm des riesigen, bärtigen Verkehrspolizisten mit den weißen Handschuhen, über ein noch nicht existierendes Flatiron Building hinab auf diese enge 5th Avenue, diesen fremdartigen Broadway, und plötzlich musste ich meine Augen schließen, denn mir kamen die Tränen über die kaum fassbare Tatsache, dass ich wirklich hier war.
    Die Ladies’ Mile war großartig, die Gehwege und Eingänge der sich über mehrere Straßenblocks erstreckenden, großen glitzernden Geschäfte waren voller Frauen – Frauen, wie wir sie auf dem Platz gesehen hatten und deren Kutschen an der Straße auf sie warteten, aber auch andere Frauen jeden Alters. Die Schaufenster reichten bis weit auf die Straße hinunter, und viele von ihnen waren durch hüfthohe glänzende Messinggitter geschützt – und das war gut so. Denn der Druck der nachrückenden schaulustigen Frauen auf die bereits zu einer großen Traube angewachsenen anderen war manchmal beängstigend stark. Ich schlenderte mit Julia an ihnen vorbei und betrachtete einige der Auslagen; die Auswahl war nicht sonderlich groß: meistens Bänder und Stoffe, die etwa einen Meter lang ausgerollt waren. Erst nachdem wir bereits einige Geschäftsauslagen betrachtet hatten, war mir aufgefallen, dass wir überhaupt keine Kleider in den Fenstern gesehen hatten; als ich mit Julia darüber sprach, sah sie mich erstaunt an. »Aber Kleider werden doch zu Hause gemacht«, sagte sie.
    Hüte gab es in speziellen Geschäften, genauso wie Handschuhe. Ich stand mit Julia vor einem Schaufenster, das voll von ihnen war; einige lagen in flachen Schachteln, andere waren zur Dekoration über Puppenarme gestreift. Einige gehörten zur Abendgarderobe, sie besaßen vom Handgelenk bis zum Ellbogen Knöpfchen, bei manchen ging die Knopfreihe sogar darüber hinaus. Ich stieß Julia an und wies auf ein purpurrot gefärbtes Paar. »Achtzehn Knöpfe«, sagte ich. Sie nickte, suchte, unmerklich bewegten sich ihre Lippen, während sie zählte, dann wies sie auf ein schwarzes Paar. »Zwanzig.« Ich sah die Reihe darüber durch, wählte ein lavendelfarbenes Paar und begann zu zählen. Julia unterbrach mich und wies auf ein weiteres schwarzes Paar. »Einundzwanzig.« Ich nickte, begann von neuem zu zählen und kam vom Handgelenk bis zum Oberarm auf zweiundzwanzig Knöpfe. Wir lachten, als ich das verkündete, und gingen weiter. »Ich bin der Sieger«, sagte ich, und Julia antwortete: »Natürlich.«
    Das

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