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Zeitstop 1704

Zeitstop 1704

Titel: Zeitstop 1704 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. E. van Vogt
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fremdartigen, mechanischen Menschen bemannt. Es ist groß genug und verfügt über die nötigen Waffen, ohne Hilfe alle Seestreitkräfte Europas zu vernichten. Die Königin muß im Inland in Sicherheit gebracht werden. Das Feindschiff hat Schwierigkeiten, und seine Besatzung ist zahlenmäßig offenbar ziemlich begrenzt. Also muß sie dazu gebracht werden, ihr unbezwingbares Schiff zu verlassen. Das gelingt vielleicht durch ein paar Probeangriffe mit der größten Kanone. Die ganze Welt ist in Gefahr!«
    Der dicke Mann stand nur schweigend da. Es war ein sehr unangenehmer Moment. Fletcher fragte sich plötzlich, ob tatsächlich so wenig Verstand in dem feisten Kopf steckte, daß er die Bedeutung dieser Worte nicht verstanden hatte. Ein anderer, persönlicher Gedanke kam ihm. Allerdings war es gefährlich, ihn einer offenbar doch begriffsstutzigen Person gegenüber zu äußern. Aber die Erkenntnis, oder zumindest eine Ahnung, mußte sich auch hinter der Stirn des Prinzgemahls gerührt haben, genau wie bei Fletcher und jedem Menschen auf der Erde.
    Und so sagte der Piratenkapitän erneut auf Niederdeutch, drängend: »Wir haben all das schon einmal erlebt, Georg. Und wenn ich mich recht erinnere, bist du 1708 an dem Husten gestorben, der dich immer plagte. So wie ich mich aus meinem früherem Erleben dieses Daseins entsinne, hast du angefangen, Blut zu spucken, und das war der Anfang vom Ende.«
    Das Schweigen hielt an. Dann sagte Georg abrupt auf Englisch: »Warte hier!« Der Prinzgemahl verließ den Raum und kehrte kurz darauf mit einer Frau zurück. Die Offiziere, die Fletcher bewachten, salutierten. Sie dankte und bedeutete ihnen wegzutreten. Dann stellte sie sich vor Fletcher. In ihren Augen glitzerten Tränen.
    »Nate«, murmelte sie. »Ich weine seit August. Ich schäme mich, denn ich behauptete von mir, ich könnte immer lächeln und so meine Tränen verbergen. Aber das stimmt nicht mehr. Wie wir wissen, hat Georg ein Lungenleiden. Und er hat mir gerade gesagt, was du über seinen Tod erwähntest – das war genau das, woran auch ich mich ganz plötzlich erinnerte – wenn man es so nennen kann –, damals im August. Nate, der ganze Palast wird verrückt vor Erinnerungen, die nicht sein können – von Erinnerungen an die Zukunft.« Sie unterbrach sich. »Welcher Tag, Nate, welcher Monat war es, da mein lieber Georg dahinschied?«
    »Ich befand mich in Italien, Eure Majestät, als ich davon erfuhr, und ich lebte bis zu dem hohen Alter von achtundsiebzig, nach meiner Erinnerung an die Zukunft. Aber es war natürlich ein großer Schock, als die Neuigkeit bekannt wurde. Ich weiß nicht, ob ich den genauen Tag überhaupt kannte, jedenfalls war es im Herbst, gegen Ende Oktober.«
    »Der 28.«, flüsterte Königin Anna und brach in Tränen aus. Prinz Georg nahm ihre Hand. Er wisperte Fletcher zu: »Sie hat recht. Jeder vergleicht Notizen und erinnert sich an Dinge, die nicht gewesen sein können. Und jetzt trägst auch noch du dazu bei. Was ist mit diesem Schiff?«
    Das war ein sehr ermutigender Augenblick, denn plötzlich gewann Fletcher einen tieferen Einblick. Irgendwann war es diesem vielleicht doch nicht ganz so schwerfälligen Prinzen gelungen, die Königin, seine Gemahlin, von den meisten der verschlagenen Gerüchtemachern fernzuhalten und bis vor kurzem auch das Gleichgewicht zwischen Whigs und Tories aufrechtzuerhalten. Er war Annas Schutzengel gewesen, der sie selten falsch beriet und ihr Mut gab.
    Ihr Los nach seinem Ableben war nicht leicht gewesen. Der Verlust hatte sie sehr mitgenommen – so jedenfalls sah es Fletcher – und ihren Charakter verändert. Sie wurde zusehends hartherziger, eine selbstsüchtige Frau, die auf Intriganten hörte und in der Folge ihre Armeen verriet, ihre besten Freunde und ihre Verbündeten. Sie starb schließlich (sechs Jahre nach Georgs Tod) als verlorene Seele, wenn es je so etwas gab. Wenn sie das jetzt alles in ihrer inneren Vision der Zukunft sah, war es kein Wunder, daß Tränen und Leid weder aufhörten, noch geringer wurden.
    »Ich floh, nachdem ich in Ungnade gefallen war, nach Italien«, sagte Fletcher. Die Lüge kam glatt über die Lippen, denn er hatte genügend Erinnerungen, um zu beweisen, daß er sich auf der Apeninnenhalbinsel auskannte. »Dort«, fuhr er fort, »hielt ich mich über alles in England auf dem laufenden.« Diese Behauptung sollte dazu dienen, wenigstens für diese paar Minuten alles, was sie über seine Piratenkarriere gehört haben mochten,

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