Zelot
Hohepriester dagegen zählten zum Adel; Pharisäer und Herodianer wiederum standen wirtschaftlich, gesellschaftlich und (wenn Markus mit «Anhänger des Herodes» eine Verbindung zu den Sadduzäern andeutet) theologisch so weit auseinander, wie man sich das nur vorstellen kann. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, die Verfasser der Evangelien hätten diese Begriffe quasi formelhaft als Umschreibung für «die Juden» verwendet.
Dass es sich bei der Münze, die Jesus sich geben lässt, um einen Denar handelt und damit dieselbe Münze, mit der der Tribut an Rom bezahlt wurde, wird eindeutig bewiesen von H.St.J. Hart, «The Coin of ‹Render unto Caesar›», in:
Jesus and the Politics of His Day
, S. 241 – 248 .
Zu den vielen Wissenschaftlern, die versucht haben, Jesu Antwort auf die Frage nach dem Tribut ihrer politischen Bedeutung zu berauben, gehören J.D.M. Derrett,
Law in the New Testament
(Eugene, Or. 2005 ) und F.F. Bruce, «Render to Caesar», in:
Jesus and the Politics of His Day,
S. 249 – 263 . Bruce zumindest anerkennt die Bedeutung des Ausdrucks
apodidomi,
und in der Tat ist es seine Analyse des Verbs, auf die ich mich hier beziehe. Helmut Merkel ist einer von vielen Forschern, die in Jesu Antwort an die religiösen Amtsträger eine Nichtantwort sehen; siehe «The Opposition Between Jesus and Judaism», in:
Jesus and the Politics of His Day,
S. 129 – 144 . Merkel zitiert den deutschen Wissenschaftler Eduard Lohse in seiner Zurückweisung von Brandon und all jenen, die wie ich überzeugt sind, dass Jesu Antwort seine zelotische Gesinnung verrät: «Jesus ließ sich weder dazu verleiten, der bestehenden Machtstruktur göttlichen Status zuzuweisen, noch ging er mit den Revolutionären konform, die die bestehende Ordnung stürzen und das Kommen des Königreichs Gottes mit Gewalt herbeizwingen wollten.» Erstens und vor allem ist festzustellen, dass die Verwendung von Gewalt hier gar nicht der entscheidende Punkt ist. Ob Jesus mit den Anhängern von Judas dem Galiläer darin übereinstimmte, dass die Juden sich nur mit Hilfe von Waffen aus der römischen Herrschaft befreien konnten, ist an dieser Stelle überhaupt nicht relevant. Alles, worum es hier geht, ist die Frage, wo Jesus im Hinblick auf die entscheidende Frage steht, eine Frage, bei der es sich zugleich um den Lackmustest für Zelotentum handelte: Sollten, durften die Juden Rom Tribut leisten? Diejenigen Wissenschaftler, die Jesu Antwort als apolitisch interpretieren, sind meiner Auffassung nach völlig blind für den politischen und religiösen Kontext der Zeit, in der Jesus lebte, und, wichtiger noch, für den Umstand, dass die Frage nach der Tributzahlung hier unverkennbar in Verbindung zu Jesu provokativem Einzug nach Jerusalem gesetzt wird, der sich unter keinen Umständen apolitisch interpretieren lässt.
Aus demselben Grund haben zahlreiche Wissenschaftler und Christen den
titulus,
der über Jesus am Kreuz hängt, als eine Art Witz betrachtet, einen sarkastisch-humoristischen Kommentar seitens der Römer. Nun sind die Römer für vielerlei Dinge bekannt, ein ausgeprägter Sinn für Humor aber gehört ganz gewiss nicht dazu. Wie üblich gründet diese Interpretation auf einer oberflächlichen Sichtweise Jesu als eines Mannes ohne jegliche politischen Ambitionen. Das ist Unsinn. Alle zur Hinrichtung verurteilten Verbrecher erhielten einen
titulus,
damit jedermann sehen konnte, für welches Verbrechen sie bestraft wurden – und sich gebührlich abgeschreckt fühlte, es ihnen gleichzutun. Dass die Aufschrift auf Jesu
titulus
wohl in der Tat KÖNIG DER JUDEN lautete, wird von Joseph A. Fitzmyer bekräftigt, der schreibt: «Hätten sich Christen [den
titulus
] ausgedacht, hätten sie
Christos
geschrieben, schließlich hätten die frühen Christen ihren Herrn kaum als ‹König der Juden› bezeichnet.» Siehe
The Gospel According to Luke I– IX
(Garden City, N.Y. 1981 ), S. 773 . Ich werde in folgenden Kapiteln näher auf den «Prozess» gegen Jesus eingehen, hier genügt es zu sagen, dass die Vorstellung, ein unbekannter jüdischer Bauer würde zu einer persönlichen Audienz mit Pontius Pilatus geladen, seines Zeichens römischer Statthalter, der wohl allein an diesem Tag ein Dutzend Hinrichtungsbefehle abgezeichnet haben dürfte, so abwegig ist, dass man sie nicht einmal ansatzweise ernst nehmen kann.
Seltsamerweise bezeichnet Lukas die beiden Männer, die zu Seiten Jesu ans Kreuz geschlagen wurden, nicht
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