Zelot
genau dies angekündigt hatte (Mt 26 , 59 ff.; Apg 6 , 13 f.; Joh 2 , 19 ). In Wirklichkeit ist eine Variante eben dieser Aussage im Thomas-Evangelium zu finden: «Ich werde dieses Haus zerstören, und niemand wird imstande sein, es wiederaufzubauen.» Selbst Markus legt die Drohung Jesu allerdings den Passanten in den Mund, die ihn am Kreuz verspotten. Wenn die Aussage falsch wäre, wie Markus andeutet, wo hätten die Passanten dann den Spruch gehört haben sollen? Aus der geschlossenen, nächtlichen Sitzung des Hohen Rats? Unwahrscheinlich. In der Tat ist so eine Aussage allem Anschein nach ein Bestandteil der christologischen Grundlage der Kirche nach 70 n. Chr., die von der christlichen Gemeinde für den «nicht von Menschenhand» geschaffenen Tempel gehalten wurde. Es besteht kein Zweifel daran, dass Jesus, wie immer er sich genau ausgedrückt haben mag, dem Tempel in der einen oder anderen Weise gedroht hatte. Markus bezeugt dies selbst: «Siehst du diese großen Bauten? Kein Stein wird auf dem andern bleiben, alles wird niedergerissen.» (Mk 13 , 2 ) Ausführlicher zu den Drohungen Jesu gegen den Tempel siehe Richard Horsley,
Jesus and the Spiral of Violence,
S. 292 – 296 . Wenn man dies alles bedenkt, kommt einem die apologetische Tünche des Markus in dem Prozess vor dem Sanhedrin vor wie ein grotesker Versuch, die Ungerechtigkeit derjenigen zu veranschaulichen, die gegen Jesus Anklagen vorbrachten, unabhängig davon, ob diese Anklagen zutrafen. In diesem Fall kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sie richtig waren.
Raymond Brown zählt 27 Diskrepanzen zwischen Jesu Prozess vor dem Sanhedrin und dem späteren rabbinischen Verfahren auf; siehe
Death of the Messiah,
S. 358 f. D.R. Catchpole untersucht die Gründe, die gegen die historische Authentizität des Prozesses sprechen, in «The Historicity of the Sanhedrin Trial», in:
Trial of Jesus,
S. 47 – 65 . Dass nächtliche Gerichtsverfahren zumindest ungewöhnlich waren, wird auch in der Apostelgeschichte (Apg 4 , 3 ff.) gezeigt, als Petrus und Johannes abends verhaftet werden, aber bis zum Morgen warten mussten, ehe sie vor dem Sanhedrin verurteilt wurden. Lukas, der diese Stelle in der Apostelgeschichte geschrieben hat, versucht, den Patzer der übrigen Evangelisten zu korrigieren, indem er für zwei Sitzungen des Sanhedrin plädiert: eine abends, als Jesus verhaftet wurde, und eine zweite, «am nächsten Morgen». In der Apostelgeschichte ( 12 , 1 – 4 ) wird Petrus während des Paschafestes verhaftet, aber den Leuten nicht zur Verurteilung vorgeführt, bis das Fest vorüber ist. Solomon Zeitlin nimmt jedoch Anstoß an der Behauptung, dass der Sanhedrin am Vorabend des Sabbat nicht tagen dürfe; Zeitlin,
Who Crucified Jesus?
(New York 1964 ). Man könnte hier für die von Johannes beschriebene Abfolge der Ereignisse plädieren, nach der der Sanhedrin schon Tage vor der Verhaftung Jesu getagt hatte. Wenn man jedoch bedenkt, dass im Johannes-Evangelium gerade der triumphale Einzug Jesu in Jerusalem und seine Reinigung des Tempels, die nach Meinung aller Gelehrten den Anlass zu seiner Verhaftung gaben, zu den ersten Akten des Wirkens Jesu zählten, fällt seine Logik in sich zusammen.
Zur Diskussion, ob die Juden unter der römischen Besatzung das Recht hatten, Verbrecher zum Tode zu verurteilen, siehe Raymond Brown,
Death of the Messiah,
Bd. 1 , S. 331 – 348 . Die Schlussfolgerung Catchpoles zu dieser Frage trifft meiner Meinung nach zu: «Die Juden konnten [einen Prozess über die Todesstrafe] verhandeln, aber sie durften sie nicht vollstrecken.» Siehe «The Historicity of the Sanhedrin trial», in:
The Trial of Jesus,
S. 63 . G.W.H. Lampe deutet an, dass amtliche Unterlagen über den «Prozess» Jesu vor Pilatus erhalten sein könnten, wenn man bedenkt, dass ähnliche
acta
christlicher Märtyrer ebenfalls erhalten sind. Allem Anschein nach erwähnen mehrere christliche Schreiber die
Acta Pilati,
die im 2 . und 3 . Jahrhundert angeblich existierten. Aber selbst wenn dies zutreffen sollte (und mit großer Wahrscheinlichkeit tut es das nicht), besteht noch lange kein Grund zu der Annahme, dass so ein Dokument etwas anderes als eine christologische Propagandaschrift darstellen sollte. Siehe dazu G.W.H. Lampe, «The Trial of Jesus in the
Acta Pilati»,
in:
Jesus and the Politics of His Day
, S. 173 – 182 .
Laut Plutarch trägt «jeder Übeltäter, der zur Hinrichtung geht, sein eigenes
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