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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Bienenkörben war?
    „Was willst du?“, fragte Sothorn gerade heraus und versuchte gleichzeitig heimlich, die Knöchel gegeneinander zu drehen, um die Riemen zu lockern. „Wenn es nicht um Geryim
oder mich geht, was willst du dann? Rache?“
    „Ja, Rache käme uns sehr entgegen“, brach unerwartet eine andere Stimme durch den Wald. „Aber es ist mehr als das. Wir haben große Pläne.“
    Sothorn zuckte zusammen. Augenblicklich brach ihm der Schweiß aus.
    Oh, er kannte diese Stimme. Er kannte ihr mitleidloses Raspeln, ihren belustigten Unterton, der die Grausamkeit einer spielenden Raubkatze verbarg.
    Sein Mund wurde trocken. Sich nicht umdrehen zu können, seinen Rücken nicht schützen zu können, befeuerte seine Angst.
    „Stolan ...“, wisperte er tonlos.
    Sein Krächzen ging im Rascheln zahlreicher Schritte unter. Weil er nichts anderes tun konnte, versuchte er zu erlauschen, wie viele Gegner sich um ihn versammelten. Hier und da tauchte eine
Gestalt am Rande seines Blickfelds auf, nur um gleich darauf wieder zu verschwinden.
    Einzig Stolan von Meerenburg, sein alter Meister, nahm neben Enes Aufstellung und legte dem höhnisch grinsenden Assassinen die Hand auf die Schulter.
    „Sieh an. Ich habe nie geglaubt, dass du tot bist. Und mein junger Freund hier hat es mir vor nicht allzu langer Zeit bestätigt. Es freut mich, dich wiederzusehen, Sothorn. Besonders
in dieser ... delikaten Lage.“
    Der Gefangene spuckte auf den Erdboden. Er hätte gern etwas gesagt, aber er konnte nicht. Sein Hass ergoss sich wie Säure über ihn.
    Dieser alte Mann, der den Tod bereits im Nacken spürte, hatte ihm Unaussprechliches angetan. Er hat ihn geschunden, er hatte seinen Körper und seine Sinne betäubt, er hatte ihm
Zeit gestohlen, die niemand ersetzen konnte.
    Sothorn hatte geglaubt, ihn hinter sich gelassen zu haben. Das hatte ihn vorwärts blicken lassen.
    Und doch war Stolan von Meerenburg zurückgekehrt, um das Leben, das er sich erkämpft hatte, zu gefährden. Zu beenden.
    Für den Moment wog die reine Anwesenheit seines alten Meisters schwerer auf Sothorns Seele als Enes‘ Verrat.
    Sich seiner eigenen Hilflosigkeit ekelerregend bewusst und doch nicht willens, sie zu akzeptieren, kämpfte er gegen seine Fesseln an. Sein Körper schwang nutzlos umher.
    Männerstimmen lachten. Lachten ihn aus.
    „Du wirkst erzürnt, mein kleiner Assassine“, sagte Stolan gelassen. „Wie verwunderlich. Du kannst nicht wirklich geglaubt haben, dass man mir entkommen kann. Soll ich
beleidigt sein?
    Dass du mir so wenig zutraust?“
    „Lass die Spiele“, zischte Sothorn mühsam. „Was willst du? Mich töten? Dann bringe es hinter dich. Dein Anblick ist nicht gerade ein Grund, länger leben zu
wollen.“
    Es waren leere Worte. Er hatte schreckliche Angst, wollte nicht sterben. Nicht gefoltert werden. Wollte wissen, was vor sich ging und es aufhalten.
    Stolans Züge drohten zu entgleisen. Kurz sah man seinen Ärger, doch dann wischte ein mokantes Lächeln alle aufrichtigen Empfindungen beiseite: „Keine Sorge. Dein Tod ist nah
genug. Nicht wahr, Enes?“
    Der
bene-yden
nickte bestätigend: „Wir sollten es bald erledigen. Immerhin haben wir mehr vor, als Sothorn aus dem Weg zu räumen.“
    „Wohl wahr. Aber er soll langsam sterben. Das ist der Preis für seinen Verrat. Und dann nehmen wir die Bruderschaft.“
    Ein Rascheln im Baum über sich ließ Sothorn aufsehen. Halb erwartete er, Syvs Adlergestalt zu erspähen. Aber da war nichts. Nur der Wind hatte in die Äste gegriffen und ihm
vorgegaukelt, dass es Hoffnung gab.
    Er leckte sich die spröden Lippen. Die Bruderschaft.
Seine
Bruderschaft. Die Menschen, die ihn aufgenommen und gepflegt hatten. Seine Heimat. In Gefahr.
    „Was habt ihr vor?“, hörte er sich fragen, obwohl er es nicht wollte.
    Viel mehr wollte er schreien und sie warnen. Irgendjemand musste im Wald sein. Irgendjemand war sicherlich in der Nähe. Jemand, der die anderen warnen konnte, sodass sie sich vorbereiten
konnten.
    Ihm kam ein Gedanke: „Du greifst eine Festung voll erstklassiger Assassinen an, Stolan? Du musst auf deine alten Tage verrückt geworden sein. Oder hast du eine Armee in deinem
Rücken versteckt? Nein? Vielleicht sind sie längst hier. Keinen von ihnen würdest du sehen oder hören. Enes, was hast du ihm erzählst, du kleine Ratte? Dass es leicht wird?
Was haben Janis und Theasa und all die anderen getan, dass du sie im Stich lässt?“
    Der andere Assassine wollte antworten,

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