Zentauren-Fahrt
Kathedrale, die so wirkte, als sei sie größer als das ganze Schloß. Stattliche Säulen und reichverzierte Bögen stützten die gläserne Deckenkuppel ab. An einem Ende befand sich eine Estrade, deren Boden aus reinem Silber zu bestehen schien. Umfaßt wurde sie von riesigen bemalten und getönten Glasfenstern, offenbar ein weiterer Innenaspekt des Glasbergs auf der Außenseite. Ein mit Edelsteinen besetzter Ke r zenleuchter stützte die Sonne ab, eine hell leuchtende goldene Kugel, die man eigens für dieses Fest ausgeliehen hatte. Dor hatte sich schon immer gefragt, was mit der Sonne passierte, wenn sie von Wolken verdeckt wurde; vielleicht wußte er es jetzt. Was wü r de wohl geschehen, wenn sie die Zeremonie nicht vor dem Ende des Sturms draußen hinter sich brachten und die Sonne wieder zurückgegeben werden mußte?
Die Gäste waren noch spektakulärer. Es waren Hunderte: Me n schen und Humanoide, zum größten Teil Ungeheuer. Dor b e merkte einen Greif, einen Drachen, eine kleine Sphinx, mehrere Meermenschen in einer Wanne mit Meereswasser, eine Manticora, eine Reihe von Elfen, Kobolden, Harpyien und Wichten; etwa zwei Dutzend Nickelfüßler, einen Schwarm Fruchtfliegen und einen Nadelkaktus. Die Tür am gegenüberliegenden Ende stand im Schatten ihres Wächters: Knacks der Oger, Krachs Vater, ein en t setzlich wirkendes Ungeheuer, wie man es sich nur vorstellen konnte.
»Wer ist das alles?« fragte Dor erstaunt.
»Alle Wesen, die jemals im vergangenen Jahrhundert Antworten von dem Guten Magier erhalten haben oder sonstwie auf wichtige Weise mit ihm verbunden waren«, erklärte das nächstgelegene Fenster.
»Aber… aber warum?«
Ein bizarrer bebrillter Dämon löste sich von einer Nymphe, mit der er sich unterhalten hatte. »Euer Majestät, ich bin Beauregard vom Unteren Kontingent. Wir haben uns hier in Frieden versa m melt, nicht unbedingt, weil wir den Guten Magier lieben, sondern weil sich keiner von uns die Gelegenheit entgehen lassen möchte, Zeuge zu sein, wie er endlich selbst in Fesseln gelegt wird – und zwar von der furchterregendsten Kreatur, die in der Magie bekannt ist. Kommt, Ihr müßt Euren Platz einnehmen.« Und der Dämon führte Dor durch das Mittelschiff zu der Estrade, vorbei an der buntesten Schar verschiedenartiger Geschöpfe, die Dor jemals gesehen hatte. Eines glaubte er zu erkennen – Grundy den Golem, der wohl irgendwie zur Feier des Tages hierhergezaubert worden war. Wie hatten all diese Wesen nur die Verteidigungsanlagen des Schlosses gemeistert? Als Dor sich Eintritt verschafft hatte, war keines von ihnen zu sehen gewesen.
»Oh, Ihr müßt König Dor sein!« rief jemand. Dor drehte sich um und entdeckte eine attraktive junge Frau, deren Kleid mit einer phantastischen Vielfalt von Edelsteinen besetzt war.
»Ihr müßt Juwel sein!« rief er, als ein Diamant in ihrem Haar ihn fast blendete. Er war etwa faustgroß und schien Abermillionen von Facetten zu haben. »Die mit dem Bottich voller Edelsteine – Crombies Frau.«
»Wie habt Ihr das erraten?« stimmte sie ihm zu und ließ ihre S a phire, Granate und Riesenopale funkeln. »Ihr schlagt nach Eurem Vater, Dor. Wie schön, daß Ihr an seiner Stelle gekommen seid.«
Dor erinnerte sich daran, daß diese Frau einmal seinen Vater g e liebt hatte. Vielleicht erklärte das auch, weshalb Bink nicht e r schienen war. Ein Wiedersehen nach so vielen Jahren hätte etwas peinlich werden können. »Äh, ja. Nett, Euch kennenzulernen, Juwel.«
»Es tut mir leid, daß meine Tochter Tandy Euch nicht kenne n lernen kann«, erwiderte Juwel. »Es wäre so nett gewesen…« Sie brach ab, und wieder glaubte Dor zu wissen warum. Juwel hatte Bink geliebt; Dor war Binks Sohn; Tandy war Juwels Tochter. Es war beinahe so, als wären Dor und Tandy miteinander verwandt. Aber wie sollte man so etwas ausdrücken?
Juwel drückte ihm einen Stein in die Hand. »Den wollte ich e i gentlich Bink geben, aber ich glaube, Ihr habt ihn auch verdient. Ihr werdet stets Licht haben.«
Dor blickte das Geschenk an. Es funkelte wie eine winzige So n ne und war fast zu hell, um es mit ungeschütztem Auge zu b e trachten. Es war ein Mitternachtssonnenstein, der seltenste aller Edelsteine. »Äh, danke«, sagte er lahm. Er wußte nicht, wie man sich in einer solchen Situation zu verhalten hatte. Er steckte den Edelstein in eine Tasche und schloß sich wieder Beauregard an, der ihn weiterdrängte. Als er die Estrade bestiegen hatte, legte sich das Gemurmel. Nun
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