Zentauren-Fahrt
ebenfalls hatten retten können. Keiner von ihnen konnte Xanth wieder verlassen; denn irgendwie hatte sich die Kunde von ihrem Verrat verbreitet, und die Feinde lauerten ihnen unmittelbar vor der Grenze der Magie auf. Vielleicht hatte sich die mundanische Kultur aber auch einschneidend verändert; eine Variante der L e gende berichtet nämlich davon, wie sie versuchten, zurückzuke h ren und entdeckten, daß sie weder die Sprache der Mundanier noch deren Kultur verstehen konnten. Einer von ihnen war Söl d ner gewesen, ein bezahlter Soldat, der offenbar einen ganz anderen mundanischen Dialekt sprach als die anderen, doch als sie einander in Xanth begegneten, sprachen sie alle dieselbe Sprache. Wir wi s sen, daß dies zu den Eigenarten Xanths gehört; alle Kulturen und Sprachen verschmelzen hier miteinander, die Schriftsprache eing e schlossen. Es gibt hier keine Sprachbarrieren zwischen Wesen derselben Spezies. Wie auch immer – ich wünschte wirklich, die Legende wäre eindeutig und klar, aber so muß ich mich mit einem Handlungsgerüst abfinden, das sich ständig in miteinander unve r einbare Aspekte verzweigt, von denen jeder aber wiederum El e mente enthält, die für die Fortsetzung der Geschichte unabdingbar sind; wirklich ein äußerst spannendes Rätsel. Die drei Männer und ihre Pferde waren also in Sicherheit, solange sie im Bereich der Magie blieben, die sie so gut zu verstehen und zu handhaben b e gonnen hatten. Aber sie sehnten sich nach der Gesellschaft von Frauen ihrer Rasse. Sie wollten das Land lieber kolonisieren, statt dessen konnten sie lediglich darin überleben.
Als sie dann tief in das unbekannte Gebiet hineinstießen, gelan g ten sie an einen Quell auf einer schönen Insel vor der Küste, und alle drei tranken sie sein Wasser in tiefen Zügen und tränkten dort auch die Stuten. Sie wußten nicht, daß es ein Liebesquell war, der sie sich sofort in das nächste gegengeschlechtliche Wesen verlieben ließ, dem sie nach dem Trinken begegneten. Und so geschah es, daß jeder der Männer im kritischen Augenblick seine Stute erblic k te – und die Stuten wiederum ihre Herren. Und so entstanden die Zentauren. Das ist übrigens wieder so einer von den erstaunlichen Unterschieden zwischen Xanth und Mundania; in Mundania sind Vertreter verschiedener Arten unfähig, sich miteinander zu paaren und fortzupflanzen, während das in Xanth zum Alltag gehört, obwohl die meisten Individuen sich natürlich eher von ihrer eig e nen Art angezogen fühlen. Die Nachkommen dieser Verbindung sahen, daß ihre Eltern anders waren als sie, daß die Herren menschliche Wesen waren, die den größeren Intellekt besaßen, während den Stuten die größere Kraft innewohnte; so lernten sie, beide Arten zu respektieren. Die Männer lehrten ihre Nachko m men alle Künste, die sie gut beherrschten, sowohl geistiger als auch körperlicher Art, und verlangten im Gegenzug das Recht, dieses Land Xanth zu regieren. Nach vielen Würfen starben die Pferde und schließlich auch die Männer. Sie hinterließen nur Zentaure n nachkommen auf dieser Insel. Doch die Überlieferung überlebte, und als Jahrhunderte später weitere Männer und auch Frauen nach Xanth kamen, überließen ihnen die Zentauren das Regieren des Königreichs. Und so ist es bis zum heutigen Tag geblieben.«
»Das ist aber eine schöne Geschichte«, sagte Irene. »Jetzt weiß ich endlich, warum ihr Zentauren uns immer geholfen habt, selbst wenn unsere Art eurer Hilfe unwürdig war, und weshalb ihr unsere Lehrer seid. Ihr habt einen größeren Zusammenhalt entwickelt als wir.«
»Wir haben den Vorteil kultureller Kontinuität. Und doch ist es nur eine Legende«, erinnerte Arnolde sie. »Wir glauben zwar daran, aber Beweise besitzen wir nicht.«
»Gebt mir ein Artefakt«, sagte Dor, den die Erzählung sehr b e wegt hatte. Er hatte zwar kein Bedürfnis, sich mit Wesen einer anderen Art zu paaren, aber er konnte nicht leugnen, daß es in Xanth vielerlei Liebesverbindungen gab. Die Harpyien, die Mee r menschen, die Manticora, die Werwölfe und Vampirfledermäuse – alle stammten sie ganz offensichtlich sowohl von Menschen als auch von Tieren ab, und es gab auch viele verschiedene Misc h formen von Tieren, etwa die Schimäre und den Greif. Es wäre undenkbar gewesen, wollte man diesen Mischwesen ihre Gültigkeit absprechen; ohne sie wäre Xanth auch nicht das, was es war. »Ich werde Euch den Beweis beschaffen.«
Doch der Zentaur zögerte. »Eigentlich dachte ich ja, daß
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