Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
hatte Laura ihrem Vater und ihrer Mutter versprochen Serena nicht mehr zu treffen, nicht mit ihr zu reden und sich mit anderen Kinder in Lauras Alter anzufreunden.
Eins hatte Laura in ihrem Plan jedoch nicht bedacht. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Serena ihren Plan nicht durchschauen würde. Dass Serena wirklich glauben könnte sie, Laura, würde ihr den Rücken kehren und sie wie eine Aussätzige behandeln, wie alle anderen Bewohner in Krem.
Als Laura zum ersten Mal den Schmerz in Serenas unergründlichen Augen sah und verstand, dass sie ihn verursacht hatte, brach ihr kleines Herz . Sie wäre am liebsten zu Serena gerannt, hätte sie geohrfeigt, durchgeschüttelt und gefragt wie sie denn wirklich glauben konnte, sie, Laura, könne sich je von ihr abwenden?
Laura hatte Serena schon eine Weile nicht zu sich gerufen und war mit ihrer Mutter auf dem Markt, um neue Stoffe für ein Klei d auszusuchen. Da stand ihr plötzlich Serena gegenüberstand und schaute sie mit ihren großen blauen Augen an. Ihre Blicke trafen sich. Dass Laura nicht wie sonst auf sie zulief und ihr um den Hals fiel, schien sie zu verwirren, denn Serena lief von sich aus auf Laura zu. Ein Lächeln, das ausnahmsweise auch ihre Augen erreichte, umspielte Serenas Lippen.
Lauras Herz jubelte. Serena lächelte, sie lächelte für sie. Dann spürte sie die Hand ihrer Mutter schwer auf ihrer Schulter ruhen. Sie raunte ihr zu: „Denk an dein Versprechen!“ Leise, aber bestimmend. Dann sah Laura, wie jemand vor Serena auf den Boden spuckte und wie sich die Gesichter der Menschen verdunkelten, die Serena erblickten, und offene Abneigung zeigten. Serena schien das alles nicht zu bemerken.
Als sich Laura langsam von Serena wegdrehte, sah sie im Augenwinkel, wie das Lächeln auf Serenas Lippen starb und die Freude in den Augen sich in Schmerz verwandelte. Nur den Bruchteil einer Sekunde lang. Dann war in dem bergkristallen Blau ihrer Augen nichts mehr zu sehen. Keinerlei Gefühlsregung. Laura war zu geschockt, um zu reagieren, und ihre Mutter schob ihre Tochter schnell aus Angst weiter, Laura würde es sich wieder anders überlegen.
Laura ließ es geschehen.
„Sie glaubt es ...“, schoss es Laura durch den Kopf, „das kann nicht sein ...“ Schmerzvoll zog sich ihr Herz zusammen. Sie war verletzt. Sie fühlte sich genauso verraten von Serena, wie Serena sich von ihr.
Zunächst war es dieser Schmerz, der Laura davon abhielt mit Serena zu reden und Serena ihr Verhalten zu erklären. Dann waren es die wachsamen Augen ihrer Eltern und der Dorfbewohner, die wie Spitzel ih ren Eltern jede ihrer Bewegungen mitteilten. Bald waren schon Wochen und Monate ins Land gegangen. Während dieser Zeit sah Laura, wie sich das Verhalten der Dorfbewohner gegenüber Serena änderte. Die öffentlichen Erniedrigungen wurden weniger, die Abneigung verschwand allmählich aus den Gesichtern der Dorfbewohner und wurde ersetzt mit Gleichgültigkeit.
Man redete auf dem Markt sogar höflich mit Serena und ihrer Mutter, wie mit jedem anderen Kunden. Einmal sah Laura, wie ein älterer Junge Serena offen anstarrte und zu ihr ging, um mit ihr zu reden. Da traf Laura die Erkenntnis, dass es wirklich an ihr gelegen hatte. Lauras Zuneigung hatte ihre Eltern und die Dorfbewohner gegen Serena aufgewiegelt. Lauras Existenz hatte Serena das Leben im Dorf zur Hölle gemacht. Diese Erkenntnis und die Gefühle, die ihr nachfolgten, waren furchtbar und kaum zu ertragen.
Laura wünschte, der Erdboden würde sich vor ihr auftun und sie verschlingen. Nein, sie wünschte sich, sie wäre nie geboren worden. Sie hatte dem Menschen wehgetan, den sie am meisten liebte, hatte nur an sich gedacht. Mit dieser Erkenntnis kam auch das Verständnis ihrer Gefühle Serena gegenüber. Es war nicht einfach nur Zuneigung oder Freundschaft. Es war eine tiefe, reine und unschuldige Liebe. Eine Liebe, die Serena nur Schmerz gebracht hatte.
Viele Nächte weinte Laura sich in den Schlaf. Sie wollte Serena sehen, ihr nahe sein, sie umarmen und nie wieder loslassen. Doch genau diese Gefühle und ihr selbstsüchtiges Verhalten waren Schuld an der Misere. Laura musste sich weiterhin von Serena fernhalten, sie in dem Glauben lassen, Laura hätte ihr den Rücken gekehrt. Vom Weinen erschöpft schlief Laura mit diesem Gedanken ein.
Eines hatte Laura jedoch nicht verstanden. Sie hatte auf die Reaktion der Bewohner auf Serena geachtet, weil es in ihrer Natur lag, von Menschen gemocht werden zu wollen. Gemocht zu
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