Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
und wurden aus dem selben Grund häufig abwertend als Zwerge bezeichnet. Im Vergleich hierzu waren Menschen im Servicebereich gefragt, vor allem wenn sie ansehnlich waren. Junge Mädchen wurden häufig von Eltern verkauft, die es sich nicht leisten konnten ein weiteres Maul zu stopfen.
Es gab sogar weibliche Menschlein, die davon träumten in den Harem eines reichen Stadthalters oder Wüstenprinz aufgenommen zu werden. Sie liefen kokettierend vor den Sklavenhändler auf und ab. Natürlich war das eine große Erleichterung für die tüchtigen Geschäftsmänner, die ihr Glück in diesem Gewerbe suchten. Die Realität hatte jedoch nichts mit den verträumten, romantischen Vorstellungen gemein, die wohl aus Geschichten erwuchsen, erfunden von den ambitioniertesten der ambitionierten Geschäftsmänner. Ein solches Leben war meist erfüllt mit Gewalt, Blut und einem frühen Tod. Wohl der Grund dafür, dass nie tatsächliche Geschichten von Liebessklavinnen erzählt wurden. Es gab einfach niemand , der lang genug lebte, um seine Geschichte in die Welt zu tragen.
Der namenlose Junge war mit seiner Mutter schon häufig auf dem Sklavenmarkt gewesen, meist zum Betteln und als er alt genug war zum Stehlen. Denn genau hier floss das Geld, fand der ertragreichste Handel in den Landen statt. Während seine Mutter die reichen Kunden um Geld anbettelte und ab und an ihren Körper anbot, wenn ihr Almosen entsagt wurden, ging der sechsjährige Junge auf Streifzüge und erbeutete so einige Säckchen voller Münzen.
Eine erstaunliche Quote und eine erstaunliche Fingerfertigkeit für einen so kleinen Dieb. Aber er war zu jung, um sich seine Opfer gezielt auszusuchen. Er nahm, was ihm vor sie Augen kam und so beging er einen Fehler, der sein Leben für immer verändern würde. Alles was er sah, war ein praller Beutel, wer ihn trug, darauf achtete er nicht. Wenn er sich die Person, an der der so gut bestückte Beutel hing, angeschaut hätte, hätte er sich wohl einen anderen Beutel gesucht.
Der zwei Meter große Mann war in einer schwarzen ärmellosen Ledertunika gekleidet, die seine mächtigen Oberarme mehr als nur betonte. Es schien, als würden diese Muskeln jeden Ärmel sprengen und Schneider sowie Träger die Sinnlosigkeit erkannt hatten, diese riesigen Muskelmassen in Ärmel quetschen zu wollen. Der Einfachheit halber hatten sich beide für eine schwarze eng anliegende Weste entschieden, die vorne nur durch eine dicke Lederschnur zugehalten wurde.
Die Narben, die sich über seinen ganzen Körper verteilten, zeugten von unzähligen siegreichen Kämpfen. Was jedoch nicht ins Bild passte, war der strohblonde Schopf, der im Nacken mit einem Band zu einem Zopf gebunden war. Auch wenn das Schwarz der Kleidung von der engelsgleichen Haarpracht ablenken sollte, hob es sich doch nur deutlicher hervor.
Glücklich und erfolgreich auf seinem Beutezug wollte der Junge zu seiner Mutter und ihr stolz zeigen, was für einen Schatz er „gefunden“ hatte. Vielleicht würde sie ihm über das Haar streichen, zärtlich, wie er es bei anderen Müttern und Kindern gesehen hatte. Denn nicht nach den Münzen in den Beuteln, sondern nach der Zuneigung seiner Mutter sehnte sich sein kleines Herz, das etwas unsicher aber stark in seiner kleinen Brust schlug.
Als er sich umdrehte und versuchte sich durch die Menschenmenge zu quetschen, wurde er von hinten an seiner alten, ungewaschenen, hier und da zerrissene n Kleidung gepackt. Eine Männerstimme donnerte: „Wen haben wir denn da? Du kleiner Teufel wolltest den Meistergauner bestehlen? Das wirst du mir büßen!“ Die Kleidung des Jungen war jedoch so löchrig, der Stoff schon so alt, dass er fast vom Hinsehen schon bröckelte. Der Teil des Gewandes, den der Mann erwischt hatte, war wohl besonders alt. Er zerfiel in seinen Händen und gab den Jungen frei, der seine Chance nutzte und sich zwischen den Menschen durchwindend loslief.
Dem Jungen zu folgen war schwer aber nicht unmöglich. Mit dem Instinkt eines Tieres lief er zu dem Ort, an dem er seine Mutter vermutete. Er fand sie und versteckte sich hinter ihr, als er den schwarz gekleideten Bären ausmachte, der ihm die ganze Zeit auf den Fersen geblieben war und sich durch die Menschenmenge kämpfte. Er kam auf sie zu. Mit angewidertem Gesichtsausdruck betrachtete er die Frau, zu dem der Junge gelaufen war.
Zerlumpt, zerzaust, unterernährt und doch ließen ihre Züge eine frühere Schönheit erahnen, genau wie bei dem Jungen. Er griff hinter die
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