Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
wegnahm, wollte nicht, dass man sie ausschloss. Ihr kindlicher Verstand und ihr kindliches Herz wussten nichts von dem Verhältnis zwischen Mann und Frau, aber sie spürte, dass sie dort keinen Platz hatte. Das machte ihr Angst. Sie hatte noch nie einen Platz für sich gehabt. Sie war seit ihrer Geburt von einem Besitzer zum anderen herum gereicht worden.
Aira taugte nicht für schwere körperliche Arbeit, für die Airen sonst eingesetzt wurden. Man hatte sie oft als hässlich oder abscheulich bezeichnet. Niemand hatte sich je die Mühe gemacht mit ihr zu reden, deshalb sprach sie nicht, verstand jedoch alles. Verstehen musste sie, denn sie musste Befehle befolgen. Meist waren es Küchenaufgaben, etwas schneiden oder putzen. Einen Namen hatte man ihr nicht gegeben. Keiner wusste woher sie kam. Man hatte ihr erzählt, dass sie als Baby auf dem Sklavenmarkt an den Meistbietend verhökert worden war, vielleicht sogar von ihren eigenen Eltern. Jemand hatte mal gesagt, sie hätten es bestimmt getan, weil sie so hässlich sei.
Das einzige, was sie schon immer begleitet hatte, war der seltsamer Anhänger aus Stein gehauen und mit Holz verziert. Man hatte versucht ihr auch diesen wegzunehmen. Aber jeder, der ihn berührte, bekam einen Schlag, der durch Mark und Bein fuhr. Aira nahm in häufig zwischen ihre Hände, wenn es ihr schlecht ging. Ihr Körper wurde dann von einer Kraft und Wärme durchströmt, die sie tröstend wie die Arme einer Mutter umfing und ihr Zuflucht bot.
Auch jetzt zog sie das Amulett aus ihrer Tunika und nahm es zwischen die Hände. Sie schloss die Augen und die Quelle der Tränen, die ihr über die Wangen liefen, versiegte. Sie beruhigte sich, schlief ein und träumte von Bergen, die so unendlich hochragten, dass sie einen Weg in den Himmel zu bahnen schienen. In diesen Bergen sah sie riesige Städte in denen kleine Versionen von Menschen lebten, die so waren wie sie. Sie träumte von einem Ort, an den sie gehörte. Wo man sie nicht nur akzeptierte, sondern auch willkommen hieß. Das wünschte sie sich mehr als alles andere. Einen Platz in dieser Welt. Ihren Platz und sie spürte, dass Serena sie genau dorthin bringen würde.
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Am fünften Tag waren sie am Waldrand angekommen. Vor ihnen lag ein Hang und in der Ferne war eine kleine Stadt zu erkennen. Sie hatten nach über drei Wochen die erste Etappe ihrer Reise hinter sich gebracht und den Dunkelwald überlebt. Nun mussten sie die Grenzen des Vostokenreiches der Landen überqueren, um ins Hochland der Senjyou zu gelangen.
„Wir müssen uns Vorräte kaufen. Außerhalb des Waldes ist es nicht mehr , so einfach an Nahrungsmittel zu kommen, ohne aufzufallen. Am besten besorgen wir uns Pferde, dann kommen wir schneller aus dem Territorium der Karolev heraus“, sagte Mikhael und fügte in Gedanken hinzu; „ Aus dem Einflussbereich der Vostoken und somit aus der Reichweite von Armirus langem Arm.“
Auch Serena wusste, dass sie so schnell und weit wie möglich von Krem wegmusste. Hätte sie jedoch auch nur vermutet , was vor ihnen lag, wären sie vielleicht umgekehrt und hätte sich, um ihrer Zukunft zu entkommen, ihrer Vergangenheit gestellt.
V OSTOKEN
Am Abend erreichten sie die nächstgelegene Stadt. Morl war zwar nicht klein, aber gerade so groß, dass sie als Reisende nicht auffallen würden. Zunächst steuerten die drei eine Herberge an, in der sie ihre hungrigen Mägen füllen und ihre müden Häupter betten konnten.
Mikhael freute sich sehr auf ein richtiges Bett. Er hatte nichts gegen das Schlafen auf dem Waldboden, aber sein Herz war dem Luxus und der Bequemlichkeit zugetan. Er wusste , wie es war nichts zu besitzen. Nicht einmal sich selbst. Mikhael würde die neue Freiheit aus allen Zügen genießen, weit weg von Armirus.
Sie entschieden sich für Hodaitab. Das Wirtshaus war gut besucht, schien sauber und es wurden auch günstige Zimmer vermietet. Mikhael meldete sie als Familie Solies an, bestellt eine Mahlzeit für drei Personen sowie zwei Bier für Serena und sich und eine Milch mit Honig für Aira. Dann brachte er ihr Gepäck in das zugewiesene Zimmer. Es war klein und mit einem Doppelbett sowie einem dazugestellten Klappbett ausgestattet. Mikhael blieb kurz im Türrahmen stehen, betrachtete das weiche Federbett eine Weile und ließ dann seinen Blick zum Klappbett wandern. Es strahlte Härte und Unbequemlichkeit aus.
Mikhael seufzte. Er hatte schon eine Vermutung, wer auf dem weichen Bett und wer auf dem
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