Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
Molly war von allem Neuen und Unbekannten begeistert, plapperte meist wild drauf los und Dank ihr konnten die Nachtwache nun durch drei geteilt werden. Alles in allem ein doch mehr als willkommener Gast.
Nach dem Essen wetteiferten Molly und Mikhael abwechselten am Feuer um die interessanteste und aufregendste Geschichte. Mal ging es um riesige menschenfressende Ungeheuer, mal um fliegende Drachen, dann um klitzekleine Feen und Waldnymphen. Aira saß mit großen Augen da, hing an ihren Lippen und verschlang jedes einzelne Wort. Molly machte es sich auch zur Gewohnheit, sich jeden Abend neben Aira zu setzen, ihr über den Kopf zu streichelte, sie auf den Scheitel zu küssen und ihr gute Nacht zu wünschen. Als Antwort bekam sie immer ein Lächeln.
So stand auch Molly am vierten Abend auf und wollte gerade zu ihrem Lager gehen, als Aira an ihrem Ärmel zupfte. Sie schaute Molly ernst an und flüsterte leise: „Gute Nacht.“ Molly lächelte sie warm an, tätschelte ihren Kopf und sagt: „Du kannst ja doch sprechen.“ Dann machte sie sich daran , ihren Schlafplatz herzurichten.
Serena hatte ihren schon zurechtgemacht und sich hingelegt, als Aira sich neben sie kniete, ihr den Kopf tätschelte, einen Kuss aufs Haupt drückte und gute Nacht sagte. Serenas schaute zu Airas lächelndem Gesicht hinauf und erwiderte nachdenklich: „Gute Nacht.“ Gute Nacht hatten ihr bis jetzt nur ihr Vater und Laura gewünscht. Aira bettete sich wie sonst auch so nahe wie möglich bei Serena und Molly legte sich dicht neben Aira.
Mikhael übernahm die erste Wache und schaute zufrieden auf seinen kleinen Harem. Das Ganze hatte sich in eine Richtung entwickelt, die ihn überraschte. Konnten aus ihnen vielleicht Gefährten werden? Bisher waren sie nur eine kleine Gruppe gewesen, die zusammen reiste. Nicht mehr und nicht weniger. Aber seit Molly zu ihnen gestoßen war, schien sich die Atmosphäre und Gruppendynamik zu verändern. Mikhael musste aufpassen, dass sie ihm nicht all zu sehr ans Herz wuchsen. Das wäre weder gut für sie noch für ihn. Früher oder später würden sich ihre Wege trennen. Er setzte sich ans Feuer, warf ein paar trockene Zweige hinein und verdrängte den aufkeimenden Wunsch, dass es später wäre.
In dieser Nacht schlief Serena wieder unruhig und warf sich hin und her.
Schmelzendes Fleisch,
Weiße Knochen die hervor blitzen,
Ein Meer aus Blut.
Zwei kleine Hände griff nach Serenas und drückte sie ganz fest, bis sie sich beruhigt hatte. Leise hallten die Worte gute Nacht, gute Nacht im Dunklen. Aira war nahe an Serena herangerobbt und hielt ihre linke Hand in ihren beiden Händchen, auch noch nachdem Serena sich beruhigt hatte.
Mikhael beobachtete die Szene mit einem Lächeln und einem Ziehen im Magen. Er musste erstaunt zugeben, dass er eifersüchtig war , und wunderte sich über sich selbst. Mikhael hatte schon oft gelogen. Lügen gehörte zu seinem Leben wie bei anderen das Atmen. Um sich jedoch nicht im Netz der eigenen Lügen zu verstricken, musste eine Person die Wahrheit kennen. Egal wie hart diese auch sein mochte: er selbst.
Sich selbst anzulügen und sich vom weichen Spinnennetz umgarnen zu lassen war einfach. Wem in der Welt konnte man glauben, wenn nicht sich selbst? Um den Verstand nicht zu verlieren, war es notwendig sich selbst zu glauben. Das machte es so leicht sich selbst zu belügen und eröffnete eine unendliche Freiheit des Geistes das zu glauben, was man sich selbst glauben lassen wollte.
Doch in einer Welt des Lug und Trug, der Gewalt und des Hasses, hatte Mikhael sich früh für den steinigen Weg der Ehrlichkeit entschieden. Eine Buße für all die Lügen, die er gebraucht hatte, und für all die Lügen, die noch kommen würden. Wenn er genau in diesem Moment ehrlich zu sich war, dann musst Mikhael zugeben, dass er sich zu Molly hingezogen fühlte, körperlich und geistig. Aber da war auch etwas an Serena, das ihn nicht losließ. Mikhael wusste noch nicht in welche Richtung es sich entwickeln würde, aber es war deutlich zu spüren und er konnte es nicht ignorieren.
Die Nacht war fortgeschritten und bald würde er sich entscheiden müssen. Würde er Serena für die Wachablösung wecken, oder doch erst Molly?
----
Als sie weit genug von Morl entfernt waren, ließ Molly zu, dass sie das Tempo drosselten. Sie hatte bereits viele Sympathiepunkte gesammelt und keiner dachte mehr darüber nach sie irgendwo zurückzulassen. Mikhael war dankbar für so gute Pferde für so
Weitere Kostenlose Bücher