ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
schwarzen Haar, dem runden Gesicht und dem stolzen Blick. Roberto ist ehrerbietig und vor allem treu. Der ehrgeizige junge Mann gehorcht nicht wie ein Diener, sondern wie einer, der begierig ist zu lernen. Er schweigt und hält den Kopf gesenkt, weil er wachsen und selbst befehlen will. In Toronto lernt er den Sizilianer Salvatore Miceli kennen, den Mittelsmann der Cosa Nostra für den Drogenhandel. Sie werden Freunde und schließlich com-pari, enge Weggefährten.
Über Miceli bezieht Pannunzi von der Cosa Nostra raffiniertes Heroin aus Palermo. Er lässt es nach Siderno bringen, von wo aus die Ladung in Schiffen zwischen Keramikfliesen versteckt nach Toronto gelangt. Hier warten die Brüder Vin-cenzo und Salvatore Macri darauf, Neffen von Zi’ ’Ntoni.
Pannunzi ist geschickt. Er begnügt sich nicht mit dem Stoff, den ihm seine ersten Kontakte besorgen. Er möchte das beste Preis-Qualitäts-Verhältnis, und er bekommt es auch. Deshalb findet er Anklang. Er nutzt die Bekanntschaft Antonio Macris
aus, um sich mit den größten Lieferanten zu treffen, die mit dem Namen Macri Zuverlässigkeit und Sicherheit verbinden. Allein hätte er sich nie die höchsten Kreise des Heroins erschlossen, aber er lernt, Macris Kontakte in den Häfen rund um die Welt für sich zu nutzen. Wenn eine Gruppe keinen Anschluss findet, ist Roberto behilflich. Er organisiert Sendungen und schickt Ladungen in Regionen, die bis dahin kein Heroin kannten. Und wenn die Gruppen besseren Stoff zu einem niedrigeren Preis verlangen, kontaktiert er Spezialisten, die das Problem lösen können. Er stellt den Kontakt zwischen dem siz-ilianischen Clan der Alberti und dem Clan der Marsigliesi her, die einen ihrer Chemiker nach Palermo schicken, um eine Heroinraffinerie aufzubauen.
Auch als Pasquale Marando, der mit dem Drogenhandel in Norditalien beauftragte Boss aus Plati, untertauchen muss, spielt Pannunzi den Vermittler zwischen den Familien von Marina di Gioiosa Jonica und denen von Plati, dem Zentrum der ’Ndrangheta im Aspromonte. Er führt zusammen, er trennt nicht. Das ist Pannunzis Bestreben.
Um sich noch enger an seine Geldgeber zu binden, heiratet Bebe, sobald er wieder in Italien ist, Adriana Diano aus einer der wichtigsten Familien von Siderno. Sie trennen sich zwar bald wieder, dennoch: Zu heiraten und eine Blutsverwandtschaft einzugehen stellt in jedem Fall eine stärkere Bindung dar als ein einfacher Vertrag. In Rom führt er offiziell ein Bekleidungsgeschäft. Und Roberto hat Sinn für Ironie: Das Geschäft nennt er »Il Papavero«, Mohn, eine Anspielung auf seine Zusammenarbeit mit großen türkischen Heroinhändlern. In Wirklichkeit steht er im Dienst kalabrischer Clans. Er hat Antonio Macris Kontakte genutzt, jetzt löst er sich von ihm und gewinnt an Bedeutung. Das Geld, das die ’Ndrangheta mit
Entführungen eingefahren hat, soll nun über den Drogenhandel Gewinn abwerfen. Roberto ist bereit. Er weiß, wo es sich lohnt zu investieren.
Der Mann aus dem Süden und der Mann aus dem Norden bewegen sich auf räumlichen und zeitlichen Parallelen, ohne dass sich ihre Wege kreuzen. Oder vielleicht doch, aber es gibt keinen Beleg für Kontakte zwischen ihnen. Locatelli hat einen leichten Vorsprung, aber weniger deshalb, weil er seine Karriere unweit von Mailand begonnen hat; die Stadt ist nach wie vor der beste Umschlagplatz für Kokain. Die geographische Lage fällt kaum ins Gewicht, wenn die Akteure international operieren. Nein, die Schnelligkeit des Mannes aus Bergamo erklärt sich dadurch, dass er sein eigener Chef ist, über neue Investitionen frei entscheiden kann und für die Risiken haftet, die er eingeht. Pannunzi hingegen hat mehr Ähnlichkeit mit dem Topmanager eines großen Konzerns. Die Eroberung eines neuen Marktes will mit Bedacht geplant sein, ohne Anteile am bisherigen Geschäft zu verlieren oder auch nur einen Bruchteil des gewaltigen Umsatzes aufs Spiel zu setzen. Mit dem Vorschlag, den Vertrieb von Kokain auf den Heroinmarkt auszudehnen und dabei das Know-how der Kalabresen zu nutzen, kann ein guter Manager die Investoren überzeugen. Dann macht sich Pannunzi an die Umsetzung: Um den geeigneten Bauernhof zu finden, nimmt er Kontakt zu Morabito auf und vor allem zu einer in der Lombardei gut vernetzten ’ndrina, den Sergi aus Plati. Und schließlich holt er aus Frankreich die besten Chemiker, erneut zwei Männer der Marsigliesi, die bereits für die Cosa Nostra gearbeitet haben und Gewähr für beste Qualität
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