ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

durch die Weinberge der Franciacorta in bester Hollywood-Manier gelingt es ihm, sich der Verhaftung zu entziehen. Loredana bleibt seine Lebensgefährtin und teilt, wie die beiden Söhne, seine Interessen und sein Schicksal:
    Zehn Jahre später wird auch sie in Spanien verhaftet, als Letzte aus Marios Netzwerk, die in den Händen der Justiz landet.
    Männer wie Bebe und Mario, aber auch die Bosse, die die atavistischen Regeln der Familie mit der Muttermilch aufgesogen haben, offenbaren ihre schwache Seite häufig in der Beziehung zu einer Frau. Die Gefahr geht nicht von den Frauen aus, die sie sich für eine Nacht kaufen, eine Ware wie jede andere, auch wenn sie sich beste Qualität leisten können. Gefährlich werden die, an die sie sich binden, mit denen sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Die Person, die irgendwann zu Pannunzi zu führen scheint, heißt Caterina. Sie ist nicht irgendeine Frau, die der Ausstrahlung und der Macht eines reifen Geschäftsmannes erliegt, und Bebe wäre auch nie bereit gewesen, sein Leben mit ihr zu teilen, wenn sie nicht die Gewähr geboten hätte, zu einer echten Komplizin zu werden. Caterina Palermo kann einen vertrauenswürdigen Stammbaum vorweisen. Sie ist die Schwester eines Mafioso aus Micelis Clan. Die Ermittler entdecken, dass sie einen Flug von Madrid nach Caracas gebucht hat, und heften sich an ihre Fersen. Nach ihrer Landung in der venezolanischen Hauptstadt begibt sich Cater-ina an einen Ort an der Grenze zu Kolumbien, dem Land, in dem ihr Lebensgefährte damals lebt. Doch Pannunzi erscheint nicht zum Rendezvous, offensichtlich wurde er gewarnt. Die Frau und die Polizisten kehren nach Italien zurück, ausnahmsweise einmal mit einem ähnlichen Gefühl: Enttäuschung.
    Der Broker aus dem Norden und der Broker aus dem Süden sind der Kopernikus und der Galileo des Kokainhandels. Mit ihnen ändern sich die Umlaufbahnen des Geschäfts. Vorher kreiste das Kokain um das Geld. Jetzt ist das Geld in die Umlaufbahn des Kokains geraten und seiner Anziehungskraft erlegen. Mario und Bebe besitzen alle Eigenschaften des
    erfolgreichen Brokers. Sie verfügen über unbegrenzte Geldmengen, eine Voraussetzung dafür, die Bedingungen eines Geschäfts diktieren zu können, ein außerordentliches Organisationstalent und Scharfblick, verbunden mit großer Sorgfalt bei der Festlegung aller Details. Sie sind Meister der Vermittlung und haben gelernt, Probleme zu lösen. Jedem, der zahlen kann und dem es gelingt, ihre Gunst zu erlangen, sichern sie Nachschub zu. Sie wissen, dass es besser ist, sich von politischen Entscheidungen, Mordaufträgen und Gewaltanwendung fernzuhalten. Sie wollen nur den weißen Stoff verschieben, und dafür benötigen sie nichts außer Geld und guten Beziehungen. Kriminelle Gruppen, auch wenn sie rivalisieren, gewähren ihnen diese Freiheit, weil es ihnen Geld bringt.
    Nicht zuletzt haben sie Fingerspitzengefühl und Intuition: Eigenschaften, die man nicht kaufen und nicht erlernen kann und die deshalb unbezahlbar sind. Man wird damit geboren, und diesen beiden wurde überdurchschnittlich viel davon in die Wiege gelegt. Vor allem Empathie, die Fähigkeit, sich in sein Gegenüber einfühlen zu können, seine Gewohnheiten, seine Schwächen und seine Ausdauer abzuschätzen. Für Bebe und Mario ist der Kunde ein offenes Buch. Sie wissen, wo sie ihn packen und wie sie ihn überzeugen können. Sie wissen, wenn er zögert, müssen sie Druck aufbauen, und wenn er sich zu selbstsicher zeigt, müssen sie ihm zu verstehen geben, wer die Hand am Geldhahn hat. Sie wechseln mühelos von einer Sprache in die andere, von einer Kultur in die andere. Wie ein Schwamm saugen sie alles in sich auf und verwandeln es sich an, sie fühlen sich als Bürger des Teils der Welt, in dem sie sich gerade aufhalten. Sie treten als bescheidene Vermittler auf, setzen aber auch ihre Autorität, ihre Ausstrahlung und ihr
    gewinnendes Wesen ein. Ihre Intuition ist ihre Fähigkeit, die menschliche Natur zu erkennen und zu manipulieren.
    Und sie besitzen Weitblick. Hätten die Broker der Finanzwelt von den Kokainbrokern gelernt, wären sie vermutlich an der Krise vorbeigeschrammt. Pannunzi und Locatelli haben intuitiv erkannt, dass sich der Massenmarkt für Heroin allmählich erschöpft, als die Welt noch Tonnen davon konsumierte und die italienischen Mafiaorganisationen noch ganz auf Heroin setzten. Bald sollte Kokain die Welt überschwemmen, bis in den letzten Winkel, unaufhaltsam. Und sie waren da, sie