ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
Wert. Interessant, nicht wahr? Das könnte bedeuten, dass nach 2005 etwas passiert ist. Vielleicht sind die Händler schlauer geworden, vielleicht haben sie neue Methoden entwickelt, um das Kokain direkt vor deiner Nase zu exportieren. Vielleicht. Aber wahrscheinlich hast du eine andere Variable nicht berücksichtigt. In den letzten Jahren hat die Reinheit des Kokains abgenommen. Dem World Drug Report zufolge ist bei dem in den USA beschlagnahmten Kokain in vier Jahren zwischen 2006 und 2010 der Reinheitsgrad von 85 auf 73 Prozent zurückgegangen. Die Leute ziehen sich Tonnen von Dreck rein. Aber diese Feststellung hat keinen Einfluss auf unsere Berechnungen. Nach der Produktion ist das Kokain zu hundert Prozent rein, das Zeug, das bei dir um die Ecke verkauft wird, weit weniger. Wie willst du also diese beiden Zahlen vergleichen? Du kannst nicht als Zähler einen Wert einsetzen, der sich auf etwas anderes bezieht als der Wert im Nenner. Klingt dir nicht noch der Satz deiner Lehrerin in den Ohren, wonach man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen darf? Anders gesagt: Man kann reines nicht mit verschnittenem Kokain gleichsetzen. Und schließlich: Wie viel Kokain wird eigentlich produziert? Lesen wir den Bericht weiter. Die Angaben schwanken zwischen 788 und 1060 Tonnen. Eine ziemlich große Differenz, nicht wahr? Wenn du dann noch berücksichtigst, dass dieser Unterschied der Kokainproduktion eines ganzen Landes entspricht, hast du dann nicht das Gefühl, dich auf schwankendem Boden zu bewegen? Es sei denn, du findest dich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner für den Reinheitsgrad ab, aber dann hast du trotzdem ein Problem. Es ist ja nicht gesagt, dass nach jeder Beschlagnahmung der Reinheitsgrad ermittelt wird, und obendrein wurden womöglich einige dieser Mengen doppelt gerechnet, weil an der Operation die Polizei mehrerer Länder beteiligt war und jede für sich gezählt hat. Wenn du diese letzten beiden Variablen übergehst und die Berechnung durchführst, also 694 Tonnen beschlagnahmten Kokains (dessen Reinheitsgrad dir nicht bekannt ist) als Zähler nimmst und als Nenner 788 beziehungsweise 1060 Tonnen Kokain in der Herstellung (dessen Reinheit außer Frage steht), kommst du auf einen Prozentsatz zwischen 65 und 88. Ist die Differenz von 23 Punkten nicht ein wenig zu groß, um von einem verlässlichen Ergebnis zu sprechen? Einverstanden.
Nicht, dass sich vor dir nicht schon andere an dieser Rechnung versucht hätten. Der World Drug Report hat es 2011 getan. Das Ergebnis? Zwischen 46 und 60 Prozent. Eine Schwankungsbreite von »nur« vierzehn Punkten. Zwei Jahre vorher ein klares Ergebnis: 41,5 Prozent. Wie man die berechnet hat? Indem man einen durchschnittlichen Reinheitsgrad des Kokains im Straßenverkauf von 58 Prozent annahm. Kann man sich darauf verlassen? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Viele sagen das, auch die Antimafiavereinigung Libera, deren Berechnung zum Jahr 2004 sich kaum von der unseren unterscheidet. In jenem Jahr wurden weltweit 937 Tonnen Kokain produziert, von denen wir die in Amerika beschlagnahmten (490) beziehungsweise konsumierten (450) Tonnen abziehen. Davon sind noch mal 99 Tonnen zu subtrahieren, die im Rest der Welt konfisziert wurden. Das Ergebnis ist eine negative Zahl: minus 102 Tonnen. Aber damit nicht genug, denn auch in Europa wird gekokst (und nicht zu knapp), nämlich etwa 300 Tonnen. Zählt man also eins und eins zusammen, fehlen für
2004 etwas mehr als 400 Tonnen Kokain. Sie sind spurlos verschwunden. Eines der zahlreichen Menschheitsrätsel, wie das Ungeheuer von Loch Ness. Ein riesiges schwarzes Loch, das sich auch auf 700 Tonnen belaufen kann, wenn man sich beispielsweise auf die Angaben der DEA verlässt.
So, jetzt weißt du, was man wissen sollte. Was du jetzt brauchst, ist viel Geduld und ein Taschenrechner. Ich bin mir sicher, dass du das Rätsel knackst.
Wie bitte?
Dir wird schwindlig?
Mir auch.
10 Das Gewicht des Geldes
Es gibt zwei Arten von Reichtum. Bei dem einen wird das Geld gezählt, bei dem anderen wird es gewogen. Wenn dein Reichtum nicht von der zweiten Art ist, weißt du nicht, was wirkliche Macht bedeutet. Das habe ich von den Drogenhändlern gelernt. Ich habe auch gelernt, dass die Drogenhändler aus aller Herren Länder stammen können, aber wo immer sie auch leben: An den Gesten, den Bewegungen und den Gedanken aus der Heimat halten sie fest, als hätten sie diese nie verlassen. Lebe, wo du willst, meinetwegen sogar in der Wall Street,
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