ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

waren schon vor allen anderen da.
    Der Polizei gelingt es mehrmals, sie zu fassen, aber die Broker finden einen Weg, um auch dieses Problem zu lösen. Sie beauftragen keine Morde. Sie haben sehr viel Geld, wissen sich zu verteidigen und hinterlassen keine Beweise. Sie ziehen nicht die Aufmerksamkeit der Medien auf sich. Nur wenige Journalisten kennen sie, nur ein kleiner Kreis von Eingeweihten weiß, wie bedeutend sie tatsächlich sind. Und wenn sie aus der Haft entlassen werden, ist die Öffentlichkeit nicht empört.
    1994 hätte zu ihrem annus horribilis werden können, stattdessen hat der Zyklon, der auf sie zukommt, nicht die Kraft, sie hinwegzufegen. Im Januar wird Pannunzi in Medellin verhaftet, wo er seit vier Jahren lebt. Die eine Million Dollar, die Bebe den Polizisten bietet, damit sie ihn laufenlassen, reicht nicht aus. Die Beamten sind so unverschämt, nicht darauf einzugehen. Bebe muss in einem kolumbianischen Gefängnis auf seine Auslieferung nach Italien warten, die im Dezember erfolgt.
    In der Zwischenzeit geht eine internationale Kooperation verschiedener Polizeibehörden mit dem unmissverständlichen Namen Operation Dinero zu Ende, an der auch die DEA und das FBI beteiligt sind. Innerhalb von zwei Jahren werden in Italien, Spanien, den Vereinigten Staaten und Kanada hundertsechzehn Personen verhaftet, rund 90 Millionen Dollar Bargeld und eine unglaubliche Menge Kokain beschlagnahmt: neun Tonnen. Am Abend des 6. September 1994 speist Loca-telli in dem bekannten Restaurant Adriano in der spanischen Hauptstadt im Kreis seiner engsten Mitarbeiter: der schweizerischen Sekretärin Heidi, die wie er mit gefälschten Papieren reist, und dem apulischen Anwalt Pasquale Ciola, seiner rechten Hand in Italien. Mit am Tisch sitzt auch Staatsanwalt Domenico Catenacci aus Brindisi. Er hatte sich mit dem Gedanken getragen, in die Politik einzusteigen, verzichtete dann aber und zog nach Como. Dort geschieht etwas Ungeheuerliches: Zwei Staatsanwälte, die nacheinander ihr Amt antreten sollen, werden beschuldigt, einer kriminellen Vereinigung anzugehören. Catenacci wird seines Postens enthoben, kann aber vor Gericht beweisen, dass er keine Ahnung hatte, wer Pasquale Locatelli ist, und erreicht einen Freispruch. Mario wird verhaftet und in ein Madrider Gefängnis gesteckt. Außer seiner Freiheit verliert er vier Schiffe seiner Flotte, die mit Drogen und Waffen beladen vor der kroatischen Küste stehen, sowie weitere Teile seines Imperiums.
    Die Operation Dinero ist ein spektakulärer Erfolg, dessen sich in einer Pressekonferenz diesseits und jenseits des Atlantiks der Chef der DEA und der italienische Innenminister rühmen. Zwei Jahre streng geheimer Ermittlungen und Polizeieinsätze. Eingeschleuste Agenten auf beiden Kontinenten und als wichtigster Köder eine Offshore-Bank, die eigens auf der Karibikinsel Anguilla eröffnet wird, um sich anzubieten, Narcodollars zu waschen. Eine richtige Bank, ordnungsgemäß registriert, mit einem eleganten Geschäftssitz und qualifizierten
    Angestellten, die ihre Kunden in allen möglichen Sprachen und mit exzellenter Fachkenntnis umwerben. Doch die Bank steht unter der vollständigen Kontrolle der DEA. Die RHM Trust Bank bietet sagenhafte Zinsen, vor allem ihren betuchteren Kunden. Die Kolumbianer gehen ihr auf den Leim. Indem er die Referenzen der RHM Trust Bank vorlegt, gelingt es einem Finanzberater der DEA, Verbindung zu Carlos Alberto Mejia, genannt »Pipe«, aufzunehmen, einem Drogenhändler des CaliKartells, der die Lieferungen in die USA und nach Europa organisiert. Die Bank hat ihren Sitz in einem britischen Steuerparadies, eine Garantie für Seriosität, sie ist leicht zu erreichen und hat günstige Konditionen. Die Narcos sind ein Luxusleben gewohnt, in dem das Geld kommt und geht wie der tropische Regen. Mejia besitzt einen Reitstall mit edlen Paso-fino-Pfer-den sowie eine Kunstsammlung, an der ihm allerdings weniger zu liegen scheint. Drei Gemälde will er den Mittelsmännern der Bank überlassen: einen Picasso, einen Rubens und ein Gemälde des englischen Malers Joshua Reynolds aus dem 18. Jahrhundert. Kunstexperten, die die Bilder nach der Beschlagnahmung begutachten, schätzen ihren Wert auf 15 Millionen Dollar. Das eigentliche Geschäft aber ist die Geldwäsche. Da wären für den Anfang fast zweieinhalb Millionen Dollar aus dem Drogenhandel in Italien, die reinvestiert werden wollen - Geld, das ein Vertrauensmann von Mejias italienischem Partner schickt, der in