ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

leimen. Aber ich möchte vor allem eines verstehen: Woher nimmt er seine Seelenruhe? Denn er wirkt ja nicht gequält. Er bringt niemanden um. Er zerstört kein Menschenleben. Als versierter Broker im Drogengeschäft schiebt er nur Geld und Koks hin und her, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Bei anderen ist es nicht Kokain, sondern Erdöl oder Kunststoff. Sind nicht auch sie schuld an Verkehrsunfällen, an der irreversiblen Zerstörung des Planeten und an jahrzehntelangen Kriegen? Schlafen die Erdölbarone etwa schlecht oder die Plastikproduzenten? Schlafen die Geschäftsführer der IT-Konzerne schlecht, weil sie wissen, unter welchen Umständen ihre Produkte zusammengebaut werden oder dass der Aufkauf von Coltan die Ursache für die permanenten Kriegsgreuel im Kongo ist? Pannunzi, da bin ich mir gewiss, argumentiert genau so. Aber ich würde gerne hören, wie er sich im Einzelnen rechtfertigt. Was er sich vormacht, um sagen zu können: »Ich bin nur ein Broker. Gib mir das Geld, dann gebe ich dir die Ware. So machen es alle.« Mehr nicht. Nicht besser und nicht schlechter als andere seines Schlags.
11 Operation Geldwäsche
    Was empfindest du beim Betreten deiner Bank durch die Sicherheitsschleuse, die jeweils nur eine Person einlässt? Welche Gedanken schießen dir durch den Kopf, wenn du in der Schlange am Schalter wartest, um eine Überweisung zu tätigen, einen Scheck einzulösen oder Scheine in Wechselgeld für die Kunden deines Ladens oder deiner Bar umzutauschen? Wenn du einen Wohnungskredit aufnehmen willst und das Gehalt des Vaters als Sicherheit angeben musst, weil du und deine Frau nur befristete Arbeitsverträge haben? Was verbindest du mit Begriffen wie Spread oder Rating, Liquiditätskrise oder Defizit? Was sagen dir Ausdrücke wie Hedgefonds, Subprime, Kreditklemme, Swap oder Blind Trust, und welchen dieser Begriffe könntest du erklären? Du gehörst zu den 99 Prozent, die zusammen über denselben Reichtum verfügen wie das übrige eine Prozent, und hast immer größere Mühe, über die Runden zu kommen. Glaubst auch du, dass daran hauptsächlich der Finanzkapitalismus schuld ist? Die Banken lassen sich von den Staaten, also letztlich von dir, Milliarden schenken, wollen dir aber den Kredit nicht verlängern. Hältst auch du sie für einen gewaltigen Moloch, beherrscht von einer unsichtbaren und unantastbaren Clique von Spekulanten und Spitzenmanagern, die fürstlicher entlohnt werden als die Superstars von Film und Fußball? Da liegst du zum Teil falsch. Es gibt keine dunkle Macht, die dich zermalmt, kein an den besten Universitäten
    ausgebildetes Phantom von bescheidenem, ruhigem Auftreten, das seinen Reichtum nicht allzu offen zur Schau stellt.
    Einige Geschichten, die dies aufzuzeigen versuchen, habe ich bereits erzählt, etwa die eines Mafioso aus dem Mittelfeld, der für lumpige 15 Millionen Euro eine Bank übernehmen wollte - von Schimmel befallene Geldscheine, die er aus einem Trolley zog und einzeln abzählte. Ich erwähnte ein paar Narcos, die das Pech hatten, sich an das falsche Geldinstitut zu wenden, um die Erträge ihrer Geschäfte gewinnbringend anzulegen und Meisterwerke der Kunst zu verkaufen: einen Reynolds, einen Rubens und einen Picasso. Ein Einzelfall, denn alle anderen Drogenschmuggler machen bei der Wahl der Offshore-Bank oder des Bankinstituts am besten Finanzplatz keinen Fehler.
    Die Banken und ihre Macht sind Menschenwerk wie alles andere auch. Wenn diese Macht sich als derart zerstörerisch erwiesen hat, liegt die Schuld nicht allein bei einem gierigen, bekoksten Broker oder einem einzelnen bestechlichen Bankbeamten, sondern bei allen: vom Finanzmarkthändler mit einem hochriskanten Handelsspielraum und einem Team von Spezialisten, das auf dem Weltmarkt die Wertpapiere für den bankeneigenen Fonds aufkauft, über den Bankmitarbeiter, der dir einen solchen Fonds als sichere Anlage für deine Ersparnisse anbietet, bis hinunter zum Schalterbeamten. Sie alle führen gemeinsam die Anweisungen der Banken aus und sind fast ausnahmslos redliche Leute. Redlich nicht nur in dem Sinn, dass sie nichts Ungesetzliches tun, sondern dass sie glauben, im Interesse der Bank zu handeln, ohne dem Kunden zu schaden. Manchmal sind sie auch etwas weniger redlich, aber nicht, um selbst einen Vorteil daraus zu ziehen, sondern weil sie im Interesse der Bank stillschweigende Vorgaben erfüllen, wie sie es schon immer gemacht haben. Auch dies geschieht auf den oberen ebenso wie auf den unteren