ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
ist Pannunzi der Initiator,
der sich über gemeinsame Bekannte und durch sein selbstsicheres Auftreten als weltläufiger Geschäftsmann empfiehlt. Und so finden sich in den mit zeitgenössischer Kunst geschmückten Büros in einem besseren Viertel Amsterdams Mitglieder der Mafia, der ’Ndrangheta und der kolumbianischen Narcos ein, um zwanglos über ihre Geschäfte zu plaudern. In dem Ermittlungsverfahren ist von einer Partie von rund 600 Kilo die Rede, Kokain einer Qualität, die man laut Pannunzi »so noch nie gesehen hat, einfach traumhaft«. Die Operation wird das »Blumengeschäft« genannt, zu Ehren des weltbekannten holländischen Exportprodukts. Sollte Bebe den Codenamen gewählt haben, dann vielleicht in launiger Anspielung auf die Tulpenmanie im Holland des 17. Jahrhunderts, die erste Spekulationsblase der Geschichte. Wie seinerzeit die Tulpenzwiebel garantiert heute das Kokain Erträge mit exponentiellen Steigerungsraten, daher ist es nur recht und billig, dass beide Waren am selben Handelsplatz verkauft werden. Paolo Sergi und der Sizilianer Francesco Palermo pendeln zwischen Italien und Amsterdam hin und her, um die Verhandlungen zu führen, die sich immer schwieriger gestalten. Die Partie wird auf 200 Kilo verkleinert, aber Alessandro Pannunzi zeigt sich im Telefonat mit seinem Vater besorgt, für die Gesamtmenge nicht die nötige Liquidität zu haben und eventuell noch einmal halbieren zu müssen. Am Ende platzt das Blumengeschäft aus einem banalen Grund: Die Marando verfügen zwar über den notwendigen Betrag, schaffen es aber nicht rechtzeitig, ihn in Dollar zu wechseln. Die »Holländer« akzeptieren keine anderen Währungen, und da es an Interessenten für eine derart herausragende Ware nicht fehlt, geben sie sie an einen anderen ab.
Gegen Leon van Kleef hat die italienische Antimafiabehörde umsonst ermittelt. Er verteidigt sich mit dem Argument, an
einem von einer internationalen Klientel besuchten Ort sei ein Anwalt nicht gehalten zu wissen, worüber die im Vorzimmer sitzenden Leute miteinander reden. Er hat einen Ruf zu verteidigen, das in zwanzig Jahren aufgebaute Ansehen einer Stra-frechtskanzlei, die nach Ansicht des holländischen Wochenblatts das »von vielen Topkriminellen bevorzugte Anwaltsbüro« ist. Die Anwälte selbst legen auf ihrer elegant gestalteten Website Wert auf den Hinweis, sie befassten sich insbesondere mit Mord, Totschlag, Erpressung, Betrug und Geldwäsche und seien nicht bereit, Kronzeugen und Informanten der Justiz zu vertreten. Der auf spanischsprachige Mandanten spezialisierte Anwalt van Kleef hat sich dafür entschieden, ganz auf der Seite des Angeklagten zu stehen. Doch die holländische Rechtsordnung sieht Straftaten im Sinne der externen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nicht vor. Auch die Antimafiabezirksdirektion Reggio Calabria ringt sich schließlich dazu durch, nicht gegen ihn vorzugehen, und beschwichtigt damit womöglich diejenigen, die das Vorkommnis in den Niederlanden als kafkaesk empfunden hatten.
Fast wie eine Parodie auf einen Roman von Franz Kafka wirken hingegen die Missgeschicke eines weit weniger ambitionierten und renommierten Anwalts. Nach dem unglücklichen Ausgang des Abendessens im Restaurant Adriano in Madrid hat Pasquale Ciola siebzehn Jahre lang unbehelligt in seinem Haus in Ostuni gelebt, Urteil um Urteil angefochten und auf die Schwerfälligkeit des italienischen Justizapparats gesetzt. Erst im Februar 2011 ergeht das endgültige Urteil des Kassationsgerichts, das ihn zu sieben Jahren und zwei Monaten verdonnert. Der inzwischen fast achtzigjährige Anwalt packt seinen Koffer und lässt sich ins Gefängnis von Brindisi einliefern.
Mario aus Madrid hingegen erträgt die jahrelange Gefängnishaft wie ein Mafiaboss alten Schlages. Aus Spanien wird er in das Gefängnis von Grasse überstellt, aus dem ihm fast zehn Jahre zuvor die Flucht gelungen war. Die Franzosen passen jetzt auf wie die Bluthunde, aber 2004 müssen sie ihn anlässlich eines der zahlreichen Prozesse, die gegen ihn geführt werden, nach Neapel überstellen. Und ausgerechnet in Italien wird Locatelli nach einem Urteil des Kassationsgerichtshofs auf freien Fuß gesetzt. Er verliert keine Sekunde, um sofort wieder im »Land der Stiere« unterzutauchen. Dort wird er 2006 mit einem auf einen Slowenen ausgestellten Pass und ebensolcher Kreditkarte sowie 70 000 Euro in bar verhaftet. Doch die spanischen Richter lassen ihn wegen eines Formfehlers wieder frei, auf
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