ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
will aufräumen. Innerhalb der Bank aber bleibt es still. Stillschweigen und Ausgrenzung sind die schlimmsten Formen des Mobbings. Woods schreibt neue Suspicious Activity Reports, Meldungen über verdächtige Transaktionen. Wer ihn darauf hinweist, dass er nie eine Reaktion erhalten und es mit ihm noch ein schlimmes Ende nehmen wird, wenn er so weitermacht, erhält eine Antwort, die für ihn typisch ist: Er senkt den Blick und lächelt. Nach dem x-ten Bericht, der keine Beachtung findet, erhält er eine Mitteilung: sein letzter Bericht sei unzulässig, da er mit Nachforschungen in den USA und Mexiko seine Kompetenz überschritten habe. Es ist der Anfang vom Ende seiner Tätigkeit. Immer öfter werden ihm Knüppel zwischen die Beine geworfen, im Büro ist es nicht mehr auszuhalten. Woods erhält auf wichtige Dateien keinen Zugriff mehr. Wachovia ist zum
Gegenangriff übergegangen. Schweigen allein reicht nicht mehr, man muss etwas tun, um diesen unbelehrbaren, lästigen Schnüffler mundtot zu machen.
Jenseits des Atlantiks entdecken die auf die DC-9 angesetzten Ermittler, dass seit 2004 etliche Milliarden Dollar von den »Kassen« des Sinaloa-Kartells auf die Konten der Wachovia-Bank geflossen sind. Es stellt sich heraus, dass die Bank drei Jahre lang bei der Verschiebung von 378,4 Milliarden Dollar die Geldwäschebestimmungen missachtet hat. Mindestens 110 Millionen stammten aus dem Drogenhandel und wurden auf diese Weise in den internationalen Bankenkreislauf eingespeist. Das Geld kam über die casas de cambio. Das reichste Kartell der Welt überstellte Geld in kleinen Beträgen wie ein Heer von mamacitas, Mütterchen, die ihren Sparstrumpf plündern, oder von Großvätern, die ein Stück Land verkaufen, um ihre Söhne in den Vereinigten Staaten zu unterstützen. Die Wechselstuben eröffneten Konten, die von der Wachovia-Filiale in Miami verwaltet wurden. Auf diese Weise wurden Millionen Dollar in bar eingezahlt, mit denen über das Bankhaus Wachovia Wertpapiere und Vermögenswerte gekauft wurden. Rund 13 Millionen Dollar gingen diesen Weg, um Flugzeuge für den Drogenhandel zu kaufen. In diesen Maschinen wurden mehr als 20 Tonnen Kokain beschlagnahmt.
Im Englischen gibt es einen schönen Ausdruck für »anzeigen«: to blow the whistle, »die Pfeife blasen«. Woods hat mit voller Kraft die Pfeife geblasen, und die Wachovia-Bank erkennt irgendwann, dass sie ihn nur zum Schweigen bringen kann, indem sie ihm die Luft abschnürt. Das Mobbing in der Firma geht an seine Substanz, er erleidet einen Nervenzusammenbruch und kommt in psychiatrische Behandlung. Woods
ist aus dem Spiel, aber mit letzter Kraft unternimmt er noch einen Versuch. Er hat von einer Besprechung bei Scotland Yard erfahren und hofft, bei seinen ehemaligen Kollegen Gehör zu finden. Ein Vertreter der amerikanischen DEA setzt sich zu ihm an den Tisch, ein jovialer, aufgeweckter Typ. Woods überlegt nicht lange und trägt ihm seine Geschichte vor. Er vertraut sich diesem Fremden an und bringt damit einen Stein ins Rollen, von dem er hofft, er werde eine Lawine auslösen. Und der Stein rollt. Er rollt bis zum 16. März 2010, als der Vizepräsident von Wachovia seine Unterschrift unter ein Dokument setzt, mit dem die Bank zugibt, zweiundzwanzig mexikanischen casas de cambio Bankdienste geboten und von ihnen Geld in Form von Überweisungen und Travellerschecks in Empfang genommen zu haben.
Es handelt sich um die Fälle, die Martin Woods vier Jahre zuvor angezeigt hatte, zu seinem eigenen Schaden. Während der für ihn so harten Jahre hatte Woods seine Bank des Mobbings beschuldigt. Lediglich eine Abfindung konnte er herausholen, musste sich im Gegenzug aber verpflichten, die Umstände der Absprache nicht publik zu machen. Ein trauriger Epilog, zumindest bis zum März 2010, wenige Tage nach der Einigung der Wachovia-Bank mit den amerikanischen Behörden. Jetzt bekommt Martin endlich Genugtuung. Er erhält einen Brief von John Dugan, Comptroller of the Currency der Vereinigten Staaten von Amerika, der im Auftrag des US-Fin-anzministeriums die Bankenaufsicht innehat. »Die Informationen, die Sie uns geliefert haben«, schreibt Dugan, »haben uns nicht nur bei unseren Ermittlungen geholfen. Durch Ihre Meldungen haben Sie auch großen Mut und Rechtschaffenheit bewiesen. Ohne die Bemühungen von Menschen wie Ihnen
wäre ein Vorgehen wie hier gegen die Wachovia-Bank nicht möglich.«
Die Behörden gestehen der Wachovia eine deferred prosecu-tion zu, d. h.,
Weitere Kostenlose Bücher