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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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die Anklage wird bis zum Ablauf einer Bewährungsfrist ausgesetzt. Wenn sich die Bank ein Jahr lang an das Gesetz hält und alle Verpflichtungen aus dem Vergleich erfüllt, wird die Anklage fallengelassen. Die Behörden sind sich ihrer Verantwortung bewusst. In jener heiklen Zeit, da das Land sich mühsam von der schwersten Finanzkrise seit 1929 erholt, kann man nicht den Zusammenbruch einer weiteren großen Bank und ein erneutes Desaster riskieren. Die Bewährungsfrist endet im März 2011. Seitdem ist die Wachovia wieder sauber. Sie musste 110 Millionen Dollar an den Staat zahlen, die bereits konfisziert waren, da die Bank unter Missachtung der Vorschriften gegen Geldwäsche Transaktionen im Zusammenhang mit dem Drogenhandel zugelassen hatte. Hinzu kam eine Strafe von 50 Millionen Dollar. Ein enormer Betrag, der jedoch lächerlich erscheint im Vergleich zu den Gewinnen der Bank, die sich 2009 auf etwa 12,3 Milliarden Dollar beliefen. Geldwäsche lohnt sich. Kein einziger Angestellter oder Spitzenmanager musste auch nur einen Tag hinter Gitter. Es gibt keinen Schuldigen, niemand ist verantwortlich. Es gibt nur einen Skandal, der schnell in Vergessenheit gerät.
    Allerdings hat Woods mit seinem Mut und seiner Sturheit weit mehr erreicht, als ein solcher Urteilsspruch auszusagen vermag. Die Zurückhaltung der Behörden hat gezeigt, dass es zwischen den Banken und den siebzigtausend Toten des mexikanischen Drogenkriegs einen engen Zusammenhang gibt. Mehr noch. Woods hat im Dreck gewühlt, er hat sich die Hände schmutzig gemacht und damit die Abwehrkräfte des US-amerikanischen Bankensystems reaktiviert. Es war nur ein
    Blitz aus heiterem Himmel, aber im Hintergrund rumpelt und zuckt es gewaltig. Nach dem 11. September sind die Kontrollen viel schärfer geworden, doch mit der Finanzkrise, die mitten in Woods’ Recherchen hineinplatzt, hat sich das Klima geändert. Plötzlich wird der Megabetrüger Bernard Madoff zu hundertfünfzig Jahren Haft verdonnert, und der französische Wertpapierhändler Jerome Kerviel wird, abgesehen von einer fünfjährigen Haftstrafe, auch zu beinahe fünf Milliarden Euro verurteilt, die er an die Bank Societe Generale zurückzahlen muss, den Betrag, den er in den Sand gesetzt hat. Dabei haben diese Leute, die sich häufig als Sündenböcke des Systems bezeichnen, auch einzelnen Personen, Gesellschaften und der Allgemeinheit einen gewaltigen Schaden zugefügt. Die Nar-codollars, die in die Kassen fließen, verursachen zumindest dem Anschein nach keinen Schaden, im Gegenteil: Sie beleben ein System, das nichts so sehr benötigt wie Liquidität. Im Dezember 2009 gab der Leiter des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, Antonio Maria Costa, eine schockierende Erklärung ab. Die Gewinne der kriminellen Organisationen, sagte er, seien für manche Banken das einzige flüssige Investitionskapital gewesen, um eine Insolvenz zu vermeiden. Die Zahlen des Internationalen Währungsfonds sind unerbittlich: Zwischen Januar 2007 und September 2009 beliefen sich faule Wertpapiere und uneinbringliche Darlehen der US-amerikanischen und europäischen Banken auf 1000 Milliarden Dollar. Daneben gab es auch Banken, die Insolvenz anmeldeten oder kommissarisch verwaltet werden mussten. In der zweiten Jahreshälfte 2008 war die Liquidität für das Bankenwesen zum Hauptproblem geworden. Wie Antonio Maria Costa unterstrich, »schien das System in dieser Zeit praktisch lahmgelegt, weil die Banken keine Kredite gaben«. Nur die kriminellen
    Organisationen schienen über enorme Bargeldmengen zu verfügen, die investiert und gewaschen werden konnten.
    Ich höre schon den Vorwurf, ich sei von einer fixen Idee besessen. Das Problem, könnte man mir entgegenhalten, seien nicht so sehr die Gelder der Mafia als vielmehr das Finanzsystem selbst. Geld dehnt sich aus wie Gas. Wenn die Blase platzt, löst sich in kürzester Zeit ein Sternennebel auf, der so gigantisch ist, dass im Vergleich dazu selbst die einlaufenden Narcodollars als Peanuts erscheinen. Wie am 15. September 2008, als die durch den Bankrott von Lehman Brothers ausgelöste Lawine nur durch Milliarden öffentlicher Gelder aufgehalten werden konnte. Für den Schwindel, von dem ich hier spreche, ist das, was zwischen den Hochhäusern der Wall Street geschah, von den kargen Dörfern Kalabriens und vom kolumbianischen Dschungel, ja sogar von den siechen und blutgetränkten mexikanischen Grenzstädten keineswegs meilenweit entfernt. Bekanntlich hatte Lehman

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