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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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Kontrolle durch: Pannunzi ist weg. Sein Zimmer war unbewacht, niemand kann mit Gewissheit sagen, wann er abgehauen ist. Er sollte eine Haftstrafe von sechzehneinhalb Jahren absitzen, in erster
    Instanz war er bereits zu weiteren achtzehn Jahren verurteilt worden. Zu verschärfter Haftstrafe verurteilt, wurde er nicht einmal unter Bewachung gestellt. Er konnte in aller Ruhe verschwinden. Der italienische Staat sollte Leuten mit unbegrenzten Geldmitteln wie Pannunzi nicht den Aufenthalt in einer Privatklinik erlauben. Staatsanwalt Nicola Gratteri zufolge, der sich seit Jahren mit diesem Fall beschäftigt, gehört Roberto Pannunzi »zu denen, die das Geld nicht zählen, sondern wiegen«. Wenn du das Geld zählst, dann hast du entweder keines oder nicht genug. Nur wenn du es wiegen kannst, kannst du dir deines eigenen Gewichts sicher sein.
    Das wissen die Drogenhändler.
    Doch Bebes Freiheit endet am 5. Juli 2013, als er in einem Einkaufszentrum in Bogota verhaftet wird. In der Tasche hat er einen gefälschten venezolanischen Pass, ausgestellt auf den Namen Silvano Martino, und er bestreitet, der polizeilich gesuchte italienische Narco zu sein. Doch die von den italienischen Behörden überstellten erkennungsdienstlichen Fotos lassen keinen Zweifel an seiner Identität. Hinter den Journalisten, die an jenem Abend in den kolumbianischen Fernsehnachrichten die Verhaftung »eines der in Europa meistgesuchten Drogenbosse« bekanntgeben, erscheint sein Foto. Wegen Drogenhandels und Zugehörigkeit zu einer mafiaartigen Vereinigung wurde ein vierfacher Haftbefehl gegen ihn erlassen, und für Interpol gehörte er in die Kategorie »Alarmstufe Rot«. Nach dem üblichen Fotoshooting der kolumbianischen Polizei, die ihn wie eine Trophäe präsentiert, wird Pannunzi in ein Flugzeug gesetzt und via Madrid nach Rom überstellt. Er ist nicht der einzige VIP an Bord. Wie die anderen Passagiere hat auch Raffaella Carra, das bekannte Showgirl des italienischen Fernsehens, keine Ahnung, dass der Boss im selben Flugzeug sitzt wie sie.
    Die Bilder von seiner Ankunft in Fiumicino zeigen ihn mit demselben langärmeligen weißen Poloshirt, das er auf dem Video seiner Verhaftung in Kolumbien trug, dem letzten Kleidungsstück, das er sich als freier Mann überstreifte. Jetzt muss Pannunzi eine Haftstrafe von zwölf Jahren, fünf Monaten und sechsundzwanzig Tagen verbüßen. Im Laufe seiner kriminellen Karriere erhielt er Beinamen wie »Fürst des Drogenhandels«, »meistgesuchter Broker Europas«, »italienischer Pablo Escobar«, »Ausbrecherkönig«. Ich würde ihn lieber als »Kopernikus des Kokains« bezeichnen, weil er etwas erkannte, das vor ihm noch niemand begriffen hatte: Nicht das Kokain muss um die Märkte kreisen, die Märkte müssen um das Kokain kreisen.
    Seine Verhaftung ist der Zusammenarbeit der italienischen Ordnungskräfte mit der US-amerikanischen DEA und der kolumbianischen Polizei zu verdanken. Die fast zwei Jahre dauernden Ermittlungen wurden von der Staatsanwaltschaft Reggio Calabria koordiniert. Vielleicht ist es kein Zufall, dass nur zwei Tage vor Bebes Verhaftung »Il Principe« Massimili-ano Avesani, sein Kontaktmann in Spanien, in Rom verhaftet wurde. Auch er trug falsche Papiere und einen Führerschein bei sich, der auf den unbescholtenen Namen Giovanni Battista ausgestellt war, doch im Polizeipräsidium musste er seine wahre Identität zugeben. Er gilt als das Bindeglied zwischen den kalabrischen Familien und der römischen Verbrecherwelt. Avesani war bereits 2011 in Montecarlo verhaftet worden, konnte sich aber einer fünfzehnjährigen Haftstrafe wegen internationalen Drogenhandels entziehen, indem er untertauchte. Doch er war nicht weit entfernt. Als Versteck diente ihm eine schicke Wohnung im römischen Stadtviertel Torrino, wo die Polizei weitere Blanko-Ausweise fand, die ihm im Untergrund
    nützlich sein konnten. Zu den Einsatzbeamten soll er gesagt haben: »Ihr habt einen Volltreffer gelandet.« Tatsächlich jedoch fehlte für einen Volltreffer noch eine Zahl, die zwei Tage später mit der Verhaftung Bebe Pannunzis auf der anderen Erdhalbkugel hinzukam. Vielleicht hatte ja Avesani selbst die Gewinnzahl aus der Lostrommel gezogen, nach dessen Verhaftung Pannunzi seinen Schutz womöglich verlor.
    Eines Tages würde ich Roberto Pannunzi gern treffen und ihm in die Augen sehen. Ich würde ihm keine Fragen stellen, denn er würde mir ohnehin nichts sagen oder nur belangloses Zeug daherreden, um einen Journalisten zu

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