ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
bringt das Opfer vielmehr dazu, genau das zu sagen, was der Folterer hören will. Das Qualvollste jedoch ist der völlige Orientierungsverlust. Du liegst am Boden in deinem Blut, deiner Pisse, deinem Schleim, mit gebrochenen Knochen. Dennoch hast du keine Wahl, du setzt weiterhin auf ihre Einsicht, auf ihren Verstand, auf ihr nicht vorhandenes Mitgefühl. Vor Schmerzen kannst du nicht mehr klar denken, du hast panische Angst. Du flehst um Erbarmen, vor allem für deine Familie.
Wie kannst du glauben, dass jemand, der fähig ist, dir die Hoden zu verbrennen und dir einen Schraubenzieher in den Schädel zu bohren, dein Flehen erhört und deine Familie schont? Kiki flehte seine Peiniger an, etwas anderes kam ihm gar nicht in den Sinn. Man muss wohl annehmen, dass gerade sein Flehen ihren Rachedurst und ihre Grausamkeit noch weiter angestachelt hat.
Sie brachen ihm die Rippen. »Könnt ihr mich nicht verbinden? Bitte«, hört man irgendwann auf dem Tonband. Sie hatten ihm die Lungen durchbohrt, und es war, als würden gläserne
Klingen in sein Fleisch dringen. Einer von ihnen brachte Kohle zum Glühen, als wollten sie Steaks grillen. Sie bohrten ihm einen glühend heißen Stock ins Rektum. Sie schändeten ihn mit einem glühenden Stock. Die Schreie auf dem Band sind unerträglich, niemand konnte es ertragen, das Gerät weiterlaufen zu lassen. Wenn die Rede auf Kikis Geschichte kommt, erzählt immer jemand, dass die Richter, die sich die Aufnahmen anhören mussten, wochenlang nicht schlafen konnten. Die Polizisten, die die neunstündige Tonbandaufnahme transkribierten, mussten sich übergeben. Einige notierten unter Tränen, was sie hörten, andere hielten sich die Ohren zu und schrien: »Es reicht!« Kiki wurde gemartert, während sie ihn fragten, wie er alles organisiert hatte. Sie wollten Namen, Adressen und Kontonummern. Aber er war der Einzige, der sich bei ihnen eingeschmuggelt hatte. Mit Zustimmung einiger seiner Vorgesetzten und der Unterstützung einer kleinen Polizeieinheit in Mexiko hatte er alles ganz allein organisiert. Die Stärke seiner verdeckten Operation lag ja gerade darin, dass er allein war. Doch die mexikanischen Polizisten, die wenigen, die Bescheid wussten, bewährte und in jahrelanger Erfahrung erprobte Männer, hatten sich verkauft. Sie hatten das Vorhaben an Caro Quintero weitergegeben.
Der Verdacht, dass die mexikanische Polizei in den Verrat verwickelt war, kam sofort auf. Zeugenaussagen bestätigten, dass korrupte Polizisten im Sold des Guadalajara-Kartells an Kikis Entführung beteiligt waren. Doch Los Pinos, der Sitz des mexikanischen Staatspräsidenten, reagierte nicht, es wurden keine Ermittlungen aufgenommen und keine Erklärungen abgegeben. Alle Bemühungen zur Aufklärung wurden von der Regierung gestoppt, die die Sache herunterspielte und meinte: »Ihr habt jemanden aus den Augen verloren, mehr nicht.
Vielleicht ist er in Guadalajara und genießt die Sonne. Die Angelegenheit hat keine Priorität.« Die Möglichkeit einer Entführung wurde nicht eingeräumt. Auch Washington empfahl der DEA, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Die politischen Beziehungen zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten seien viel zu wichtig, als dass sie durch das spurlose Verschwinden eines Polizisten aufs Spiel gesetzt werden durften. Aber die DEA konnte eine solche Niederlage nicht hinnehmen und schickte fünfundzwanzig ihrer Leute nach Guadalajara, um Untersuchungen einzuleiten. Es begann eine Art Menschenjagd mit dem Ziel, Kiki Camarena zu finden. El Padrino merkte, dass die Luft für ihn dünn wurde. Sich an Kiki zu vergreifen war offenbar ein falscher Schritt gewesen. Aber wer eine ganze politische Klasse zum Verbündeten hat und sich einbildet, er habe alles im Griff, überschätzt leicht seine Macht. Seine Macht und die Macht des Geldes. An Kiki wollte man ein Exempel statuieren. Man hatte größtes Vertrauen in ihn gesetzt, und deshalb musste seine Bestrafung unvergesslich sein. Eingebrannt für alle Zeiten.
Einen Monat nach Kikis Entführung wurde seine Leiche in der Nähe des Dorfes La Angostura im Bundesstaat Michoacan gefunden, hundert Kilometer südlich von Guadalajara. Sein lebloser Körper lag am Rand einer Landstraße. Er war noch gefesselt und geknebelt, seine Augen verbunden. Eine geschundene Leiche. Die mexikanische Regierung log, als sie erklärte, die Leiche sei von einem Bauern des Dorfes gefunden worden, eingewickelt in einen Plastiksack. FBI-Untersuchun-gen von Erdresten auf
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