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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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herauspressen. Immer mehr Geld.
    Gewöhnlich bezahlten die Kolumbianer jede Fracht in bar. Medellin zahlte, und die Mexikaner übernahmen den Transport in die USA, zunächst gegen Pesos, dann gegen Dollars. Doch dann befürchtete El Padrino eine Abwertung des Geldes und befand, dass der unmittelbare Handel mit Kokain lohnender wäre. Es direkt auf dem nordamerikanischen Markt zu verkaufen würde sich erst richtig auszahlen. Als das kolumbianische Kartell immer mehr Transporte in Auftrag gab, verlangte El Padrino, mit Kokain bezahlt zu werden. Escobar war einverstanden, das Geschäft erschien ihm sogar lukrativer. Allerdings hätte er ohnehin nicht nein sagen können. Wenn die Ladung leicht zu transportieren war und in Lkws oder Zügen versteckt werden konnte, gehörten fünfunddreißig Prozent des Kokains den Mexikanern. War der Transport komplizierter, weil er durch Tunnel unter der Grenze führte, gingen fünfzig Prozent der Ladung an die Mexikaner. Die unwegsamen Routen und die 3000 Kilometer lange Grenze, die Mexiko mit den Vereinigten Staaten verbindet, wurden zu El Padrinos wertvollster Ressource. Die Mexikaner waren jetzt nicht mehr nur Transporteure, sondern mischten auch im Vertrieb mit. Sie brachten das Kokain zu den Bossen, den Zonenchefs, den Dealern, den US-amerikanischen Organisationen. Nicht mehr nur die Kolumbianer, auch die Mexikaner konnten jetzt ihren Platz am Verhandlungstisch beanspruchen. Und dann noch mehr. Unendlich viel mehr. So ist es auch bei den großen Unternehmen: Der Vertrieb entwickelt sich häufig zum größten Konkurrenten des Herstellers, und die Zulieferer haben einen größeren Gewinnanteil als der eigentliche Produzent.
    Doch El Padrino ist geschickt und weiß, wie wichtig es ist, unauffällig zu agieren, insbesondere in jenen Jahren, da aller Augen auf Escobar El Magico und auf Kolumbien gerichtet sind. Er ist also vorsichtig und versucht, ein ganz normales Leben zu führen. Als Boss, nicht als Alleinherrscher. Er plant jeden einzelnen Transport akribisch genau und weiß, dass jede Behörde geschmiert und jeder Kontrollpunkt bezahlt werden muss. Jeder zuständige Beamte in jeder Zone. Jeder Bürgermeister jedes Dorfes, das durchfahren wird. El Padrino weiß, dass er bezahlen muss. Immer bezahlen muss, damit sein Erfolg von allen als Erfolg empfunden wird. Vor allem aber, dass er zahlen muss, bevor jemand reden, verraten, mehr anbieten und sich an eine rivalisierende Gruppe oder an die Polizei verkaufen kann. Die Polizei ist entscheidend. Schließlich war er selbst einmal Polizist gewesen. Also suchten sie jemand, der den reibungslosen Transport garantierte: Kiki. Kiki war ein Bulle, der die Drogen vom mexikanischen Bundesstaat Guer-rero in den Bundesstaat Baja California passieren ließ, so dass der Übergang in die USA glatt verlaufen konnte. El Padrinos Partner Caro Quintero empfand Kiki gegenüber eine regelrechte Verehrung und lud ihn zu sich nach Hause ein. Er erklärte ihm, wie ein Boss leben, welchen Lebensstil er pflegen und wie er sich seinen Männern präsentieren sollte: reich und vermögend, aber ohne zu protzen. Er müsse den Eindruck vermitteln, wenn es ihm gutgeht, werde es auch seinen Männern gutgehen und den Leuten, die ihm zuarbeiten. Im Umkehrschluss sollen alle sich wünschen, dass sein Umsatzvolumen wächst und seine Geschäfte florieren. Hat dagegen jemand das Gefühl, der Boss hat alles und kann alles haben, dann werden sie ihm etwas wegnehmen wollen, weil sie denken, es sei zu viel des Guten. Ein subtiles Gleichgewicht. Das Geheimnis des
    Erfolgs besteht darin, diese Linie niemals zu überschreiten, den Verlockungen eines Luxuslebens niemals nachzugeben.
    Kiki ließ die Drogen spielend leicht passieren, und El Padrinos Clan zahlte gern. Es schien, als könne er jedermann bestechen, als stünden ihm die gesamten Vereinigten Staaten offen. Mit der Zeit gewann Kiki das uneingeschränkte Vertrauen des Clans, und sie teilten ihm ein streng gehütetes Geheimnis mit. Dieses Geheimnis war El Bufalo. Nachdem der x-te Sattelschlepper mit kolumbianischem Kokain und mexikanischem Marihuana die Grenze zu den USA passiert hatte, brachten sie Kiki nach Chihuahua. Kiki hatte den Begriff El Bufalo schon tausendmal gehört, ohne zu wissen, für was er stand. War es ein Codewort, eine spezielle Operation, ein Beiname? Doch El Bufalo war nicht der Boss der Bosse, er war kein heiliges und verehrungswürdiges Tier, auch wenn bei der Nennung dieses Namens oft eine fast sakrale

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