ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
für El Padrino alles möglich machte. Kiki arbeitete für die DEA, die amerikanische Drug Enforcement Administration.
Sein richtiger Name war Enrique Camarena Salazar, amerikanischer Staatsbürger mexikanischer Herkunft, der 1974 in die US-Drogenpolizei eingetreten war. Zunächst arbeitete er in Kalifornien, dann wurde er nach Guadalajara geschickt. Vier Jahre lang entschlüsselte Kiki Camarena das Netz der großen Kokain- und Marihuanaschmuggler Mexikos. Bald spielte er mit dem Gedanken, sie zu infiltrieren, denn die Polizeioperationen führten zwar zur Verhaftung von campesinos, Dealern, Fahrern und Auftragskillern, aber das eigentliche Problem blieb ungelöst. Er wollte Schluss machen mit dem Mechanismus der massenhaften Verhaftung von Leuten, die in der Organisation nur kleine Fische waren. Zwischen 1974 und 1976, als die mexikanische Regierung und die DEA eine gemeinsame Task Force bildeten, um der Opiumproduktion in den Sinaloa-Bergen ein Ende zu setzen, gab es viertausend Festnahmen, aber alles nur Bauern und Fahrer. Solange die Bosse des Drogenschmuggels, die Drahtzieher im Hintergrund, auf freiem Fuß waren, würde die Organisation weiterbestehen und sich ständig erneuern. Kiki begann, tiefer in den Drogenhandel des Goldenen Dreiecks zwischen den Bundesstaaten Sinaloa, Dur-ango und Chihuahua einzudringen, wo große Mengen Marihuana und Opium produziert wurden. Kikis Mutter machte sich Sorgen, sie war nicht einverstanden mit dem, was er tat, und wollte nicht, dass sich ihr Sohn den Baronen des internationalen Drogenhandels ganz allein entgegenstellte. Doch Kiki gab ihr zur Antwort: »Auch als Einzelner kann ich etwas ausrichten.« Das war seine Philosophie. Und er hatte recht. Kiki wurde verraten. Nur sehr wenige waren über die Operation informiert gewesen, und einer von ihnen hatte geredet. Die
Entführer brachten ihn in einen Raum und folterten ihn. Sie wollten ein Exempel statuieren. Niemand sollte jemals vergessen, wie Kiki Camarena, der Verräter, bestraft wurde. Sie schalteten ein Aufnahmegerät ein und zeichneten alles auf, denn sie mussten El Padrino demonstrieren, dass sie nichts unversucht gelassen hatten, um Kiki zum Reden zu bringen. Sie wollten wissen, wie viel Kiki bereits verraten hatte und wer aus seinem Team noch in die Organisation eingeschleust worden war. Sie schlugen ihn ins Gesicht und gaben ihm Fausthiebe auf den Kehlkopf, so dass er keine Luft mehr bekam. Sie brachen ihm die Nase und schlugen ihn, dass seine Augenbrauen aufplatzten, während er mit verbundenen Augen gefesselt dasaß. Als Kiki ohnmächtig wurde, holten seine Folterer einen Arzt. Mit eiskaltem Wasser brachten sie ihn wieder zu Bewusstsein und wuschen ihm das Blut ab. Kiki weinte vor Schmerzen. Er sagte nichts. Sie fragten ihn, wie die DEA an die Informationen herangekommen sei, wer sie übermittelt hatte. Sie wollten Namen. Aber es gab keine Namen. Sie glaubten ihm nicht. Sie befestigten elektrische Kabel an seinen Hoden und verabreichten ihm Stromstöße. Auf dem Tonband sind Schreie und dumpfe Schläge zu hören. Es klingt, als würde sein Körper von den Stromstößen angehoben. Während Kiki mit Händen und Füßen an einen Stuhl gefesselt dasaß, setzte einer der Folterer einen Schraubenzieher an seinem Schädel an und begann, ihn hineinzudrehen. Das Werkzeug bohrte sich in seinen Kopf und sprengte Fleisch und Knochen. Die Schmerzen waren höllisch. Kiki sagte immer wieder: »Lasst meine Familie in Ruhe. Bitte, tut meiner Familie nichts.« Bei jeder Ohrfeige, die sie ihm gaben, bei jedem Zahn, der herausbrach, bei jedem Stromschlag, den sie ihm verabreichten, wurde der Schmerz noch schlimmer, wenn er sich vorstellte, Mika, Enrique, Daniel und
Erik könnten dieselben Qualen erleiden. Seine Frau und die drei Söhne. Auf den Tonbandaufnahmen ist das der Satz, den er am häufigsten wiederholt. Ganz gleich, was für eine Beziehung du zu deiner Familie hast: zu wissen, dass sie für etwas bezahlen muss, wofür du allein verantwortlich bist, macht den Schmerz unerträglich. Unerträglich ist die Vorstellung, dass ein anderer durch deine Schuld, aufgrund von Entscheidungen, die du getroffen hast, Qualen erleiden muss.
Wenn der Körper vom Schmerz überwältigt wird, kommt es zu unerwarteten, unausdenklichen Reaktionen. Das Opfer lügt nicht in der Hoffnung, dass der Schmerz dadurch aufhört, fürchtet es doch, dass seine Lügen entlarvt werden und der Schmerz zurückkehrt, womöglich noch qualvoller. Der Schmerz
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