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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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Menüfolge wie bei einem festlichen Empfang, wie bei einer Taufe. Die neue Macht der Narcos wurde aus der Taufe gehoben. El Padrino traf ein, als die anderen schon beim Essen waren. Er nahm Platz und erhob sein Glas. Eines für jeden Trinkspruch, für jedes Territorium, das er einem Boss überantwortete. Er forderte Miguel Caro Quintero auf, sich gleichfalls zu erheben, und sprach ihm die plaza Sonora zu. Beifallklatschen, dann leerten sie ihr Glas. Das zweite Glas erhob er auf die Familie Carrillo Fuentes: »Ciudad Juarez gehört euch.« Die Route Matamoros übergab er an Juan Garda Abrego. Die Brüder Arellano Felix erhielten Tijuana. Das letzte Glas erhob er auf die Pazifikküste. Joaqum Guzman Loera, »El Chapo«, und Is-mael Zambada Garda, »El Mayo«, standen auf, noch bevor sie dazu aufgefordert wurden. Sie beanspruchten diese Territorien, hier waren sie Vizekönige gewesen, jetzt wurden sie endlich zu Herrschern ernannt. Damit war die Aufteilung abgeschlossen, die neue Welt geschaffen. Vielleicht ist diese Geschichte eine Legende, aber ich bin überzeugt, dass nur solche Legenden die Symbolkraft besitzen, um einen echten Gründungsmythos zu
    schaffen. Wie bei einem römischen Kaiser, der seine Söhne um sich versammelt und jedem einen Teil seines Herrschaftsgebiets als Erbe zuweist. El Padrino musste die neue Ära mit einer feierlichen Geste einleiten oder zumindest sicherstellen, dass eine solche Geschichte verbreitet wurde, die für ihn zugleich eine Art Lebensversicherung darstellte.
    An diesem Tag entstanden die Kartelle des Drogenhandels, die heute, mehr als zwanzig Jahre später, immer noch existieren. Es entstanden kriminelle Organisationen, die nichts mehr mit der Vergangenheit zu tun hatten: Institutionen mit einem festen Territorium, in dem bestimmte Preise und Verkaufsbedingungen galten, bestimmte Schutzmaßnahmen und Regeln der Vermittlung zwischen Produzenten und Endverbrauchern. Die Drogenkartelle besitzen die Macht, Preise und Kompetenzen festzulegen: entweder am runden Tisch oder mit Sprengstoff und Tausenden Toten. Auf welche Weise Preis und Vertrieb des Kokains bestimmt werden, hängt von der jeweiligen Situation ab, von den beteiligten Akteuren, den Bündnissen und Loyalitäten, den Ambitionen der Bosse, den Wirtschaftsströmen.
    El Padrino sollte die Oberaufsicht über die Operationen behalten. Als ehemaliger Polizist verfügte er über die entsprechenden Kontakte, und damit war weiterhin er der Mann an der Spitze. Aber ihm blieb keine Zeit mehr, seinen Plan aufgehen zu sehen. Als fast vier Jahre zuvor Kikis Leiche auftauchte, war sofort klar gewesen, dass die DEA nicht eher ruhen würde, als bis sie die Qualen gerächt hatte, die einer ihrer Kollegen - nach Ansicht vieler der Beste von allen - hatte erleiden müssen. Kikis Qualen. Die Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko verschärften sich. Die mehr als 3000 Kilometer lange Grenze zwischen beiden Staaten, diese lange Zunge, die, wie die Kokainkuriere sagen, Amerika den Arsch leckt und deshalb alles hineinschmuggeln kann, was Mexiko will, wurde Tag und Nacht überwacht, so streng wie nie zuvor. Einer von Rafael Caro Quinteros Leuten hatte gesagt, Ki-kis Leiche sei zunächst im Park La Primavera westlich von Guadalajara verscharrt worden und hätte nie entdeckt werden sollen. Proben des Erdreichs stimmten mit denen auf Kikis Leiche überein. Kikis Kleidung war vernichtet worden, angeblich weil sie vermodert war, aber man wollte natürlich Beweise vernichten. Unter dem Namen Operation Leyenda begann die DEA mit den umfangreichsten Ermittlungen, die die USA bis dahin jemals in einem Mordfall eingeleitet hatten. Die amerikanischen Fahnder verfolgten jede Spur. Fünf Polizisten, die zugaben, an Camarenas Enttarnung beteiligt gewesen zu sein, wurden verhaftet. Sie alle nannten Rafael Caro Quintero und Ernesto »Don Neto« Fonseca Carrillo als Auftraggeber. Auch sie wurden verhaftet.
    Caro Quintero versuchte zu fliehen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Mexiko, sein angestammtes Herrschaftsgebiet, ihn an die US-Drogenpolizei ausliefern würde. Er hatte immer alle gekauft, und diesmal zahlte er einem Kommandanten der mexikanischen Gerichtspolizei 60 Millionen Pesos. Er schaffte es nach Costa Rica. Aber wenn man flieht, darf man niemals glauben, man könne sein altes Leben mitnehmen. Man flieht, und fertig. In gewisser Weise stirbt man. Caro Quintero aber nahm seine Freundin Sara Cristina Cosfo Vidaurri Martmez mit. Doch Sara

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