ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
sich bewegen. Er rechnet zwar damit, dass im Restaurant gleich die Hölle losbricht, aber das Publikum schießt nicht, es hält den Atem an und zuckt mit keiner Wimper. Die Verhafteten lassen sich brav abführen. Unter ihnen sind auch die Mädchen des Nachtclubs Black and White. Erst jetzt fallen jemandem die zwei großen Kühllaster auf, die vom gleißenden Licht des Vollmonds beschienen werden. An Bord der Laster seufzen die Mitglieder der Spezialeinheit zur Bekämpfung der organisierten
Kriminalität erleichtert auf. Die Bosse der Solnzewo-Gruppe sind da und weitere hochrangige Mafija-Vertreter, die, da sie keine Waffen tragen, tags darauf wieder freigelassen werden. Mogilewitsch allerdings fehlt. »Mein Flieger hatte Verspätung«, sagt er mit der Dickfelligkeit eines Elefanten zu einem Interviewer. Der lässt sich nicht einschüchtern und fragt ihn, ob die Mädchen seiner Clubs mit den Kunden ins Bett gingen. Mogilewitsch starrt ihn an, als wäre er ein dummes Kind: »Da waren keine Betten. Nur Tische. Es war ein Stehlokal.«
The Brainy Don agiert inzwischen unangefochten in der Ukraine und in Großbritannien, in Israel, Russland, Europa und den Vereinigten Staaten und unterhält Beziehungen auch zu Organisationen in Neuseeland, Japan, Südamerika und Pakistan. Den internationalen Flughafen Scheremetjewo in Moskau hat er fest im Griff. Seine Geschäfte kennen keine Grenzen. Nach Erkenntnissen des FBI traf sich einer seiner Statthalter, der in Los Angeles ansässig ist, mit zwei Russen aus New York, die mit der Familie Genovese in Verbindung stehen. Es ging um einen Plan, medizinische Giftabfälle aus den USA im Gebiet von Tschernobyl in der Ukraine zu entsorgen. Die lokalen Behörden für Bodensanierung sollten vermutlich Schmiergelder erhalten. Die Phantasie des Don kennt offensichtlich keine Grenzen. 1997 hat Mogilewitsch mehrere Tonnen angereichertes Uran zur Hand, wohl eines der vielen Geschenke, die ihm der Fall der Berliner Mauer beschert hat. Die Depots sind gut mit Waffen gefüllt, und man braucht nur einen Weg zu finden, sie sich unter den Nagel zu reißen. The Brainy Don organisiert ein Treffen in Karlsbad, einem Ort, den er geradezu liebt. Die Käufer, die ihm gegenüber Platz nehmen, sind vornehme Herren aus dem Nahen Osten. Alles scheint
glattzugehen, doch dann machen ihm die tschechischen Behörden einen Strich durch die Rechnung.
1998 bezeichnet ein FBI-Bericht Geldwäsche als die Haupttätigkeit Don Semjons in den USA und enthüllt seine Beteiligung an der YBM Magnex International, einer Firma mit Sitz in Pennsylvania und mit Ablegern in Ungarn und Großbritannien, die offiziell Industriemagneten herstellt. Das Unternehmen wird mit einer Milliarde Dollar bewertet und ist an der Börse von Toronto notiert. Zu ihren Hauptaktionären gehören zwei Frauen namens Ljudmila: die Ehefrauen von Sergej Michailow und Viktor Awerin, den Bossen der Moskauer Solnzewo-Bruderschaft. Mogilewitsch und seine Partner hatten entdeckt, dass Kanadas Börse kaum reglementiert ist. Ein in Toronto notiertes Unternehmen konnte daher eine wunderbare Tarnung abgeben, um illegales Kapital der Mafija in die nordamerikanischen Märkte einzuschleusen. In nur zwei Jahren stieg der Wert der YBM-Magnex-Aktien von wenigen Cent auf über zwanzig Dollar. Auf dem Papier verdienten die Investoren eine Menge Geld, und das Unternehmen wurde sogar in den Index der dreihundert wichtigsten an der Börse von Toronto gehandelten Papiere aufgenommen. Doch im Mai 1998 stattet das FBI den YBM-Büros in Newtown, Pennsylvania, einen Besuch ab und beschlagnahmt Festplatten, Faxgeräte, Rechnungen und Lieferscheine. Innerhalb weniger Stunden stürzt der Preis der Aktien ins Bodenlose, Mogilewitsch wird des Betrugs an amerikanischen und kanadischen Investoren angeklagt. Praktisch machte das Unternehmen mit Scheingesellschaften Geschäfte, ineinander verschachtelten Strohfirmen, die nur dazu dienten, Gelder zu verschieben. Die Verdachtsmomente der Ordnungskräfte wurden durch den Geschäftssitz von YBM in Newtown bestätigt: Ein Unternehmen, das einen Umsatz
von 20 Millionen Dollar und hundertfünfzig Beschäftigte angab, konnte nicht einfach nur den Seitenflügel eines ehemaligen Schulgebäudes als Firmensitz haben. Der Riesenbetrug kostete die Investoren mehr als 150 Millionen Dollar.
YBM Magnex hatte mehrere Millionen Dollar von der Arigon Ltd. erhalten, die unter anderem Kraftstoffe an die staatliche ukrainische Eisenbahngesellschaft
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