ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
verkaufte. Mogilewitsch hatte beste Beziehungen zum ukrainischen Energieminister und zu den russischen Energiekonzernen. Arigon firmierte unter anderem als Besitzerin von Mogilewitschs Nachtclub Black and White in Prag. Die Operation Sword der britischen National Criminal Intelligence bringt ans Licht, dass die Arigon Ltd. in Wirklichkeit eine Offshore-Gesellschaft ist, die den Kern von Mogilewitschs Finanzgeschäften bildet und auf einer der Inseln im Ärmelkanal registriert ist. Den Ermittlern zufolge funktioniert das so: Die von ihm und anderen russischen Bossen mit ihren illegalen Geschäften in Osteuropa erwirtschafteten schmutzigen Gelder laufen bei Gesellschaften wie Arbat International (die dem kleinen Japaner, der Solnzewo-Gruppe und Mogilewitsch gehört) zusammen und werden von hier an die Arigon überwiesen, manchmal über Mogilewitschs Unternehmen in Budapest. Die Arigon bedient sich ihrerseits einer Reihe von Girokonten in Stockholm, London, New York und Genf, von denen Banküberweisungen an Briefkastenfirmen rund um die Welt ausgehen, die auf Mitarbeiter Mogilewitschs lauten. Über Arigon werden die Gelder gewaschen und gelangen in den legalen Markt, wo sie in andere Projekte fließen. Dank der Operation Sword wissen wir, dass von den mehr als 30 Millionen Pfund, die über Londoner Banken gelaufen sind, zwei bei der Royal Bank of Scotland eingelegt wurden. Sie waren für Arigon bestimmt und kamen aus einer nicht näher bezeichneten russischen Quelle. Letztlich läuft die Operation Sword allerdings ins Leere, weil die russische Polizei nicht willens oder in der Lage war, Scotland Yard den Beweis zu liefern, dass dieses Geld aus kriminellen Machenschaften stammte. So fiel der Geldwäschevorwurf ins Wasser, dennoch gab es einen Peitschenhieb. Ich kann mir Mo-gilewitschs Überraschung vorstellen, als er wenig später einen Brief des britischen Innenministeriums öffnete, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass seine Anwesenheit im Vereinigten Königreich nicht mehr erwünscht sei.
Mit der Ausdehnung von Mogilewitschs Geschäften entstanden allerdings auch neue Diversifizierungen und Filialen von Arigon rund um den Globus, in Prag und Budapest, in den Vereinigten Staaten und in Kanada: lauter gut funktionierende Geldwaschanlagen.
»Warum haben Sie auf den Kanalinseln Gesellschaften gegründet?«, wurde Mogilewitsch einmal gefragt.
»Ich kannte keine anderen Inseln. Im Geographieunterricht in der Schule war ich an dem Tag krank.«
In Russland gab es Männer, die den postkommunistischen Übergang zu nutzen wussten. Männer, die in den neunziger Jahren ganz offen agierten. Männer wie Tarzan. Lange Haare, stolzer Blick, eine bullige Erscheinung. Auf dem Foto, das vor mir liegt, sprüht er Energie aus allen Poren und beweist, wie treffend sein Spitzname ist, den man ihm ein paar Jahre vorher verpasst hat. Um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sprang er als Junge aus dem vierten Stock des Hauses, in dem er mit seiner Familie nach der Auswanderung in den siebziger Jahren von der Ukraine nach Israel wohnte. Er überlebte den Sprung, aber an jenem Tag wurde aus Ludwig Fainberg Tarzan.
In Israel leistet er den Militärdienst bei der Marine ab, doch seine Größe von einem Meter sechsundachtzig und seine aufgepumpten Muskeln reichen nicht aus, um die Prüfung für die Offizierslaufbahn zu bestehen, sein großer Traum.
1980 siedelt er nach Ostberlin um. Er hat einen Kontakt, der ihm einen täuschend echten Doktortitel in Medizin beschaffen kann. Tarzan begnügt sich mit einem Diplom als Zahntechniker, aber um Gebisse und Kronen herzustellen, reicht das Blatt Papier nicht aus, und er wird von sieben zahnmedizinischen Labors nacheinander entlassen. Tarzan bleibt nichts anderes übrig, als sich kriminellen Landsleuten anzuschließen, und er wählt die Branche Betrug und Fälschung. Er zieht nach Brooklyn, wo er in Brighton Beach einen Videoverleih eröffnet, und heiratet eine Frau »reinen Mafija-Blutes«, wie man in Russland sagt: Der Großvater in Russland war ein Mafioso, ebenso ihr Mann aus erster Ehe. In den USA hilft Tarzan auch seinem Kindheitsfreund Grischa Roizis, genannt »der Kannibale«,
Boss einer russischen Gruppe in Brooklyn, ein paar Möbelgeschäfte zu führen. In Wirklichkeit sind sie der Deckmantel für internationalen Heroinhandel, an dem auch die italoamerikanischen Familien Gambino und Genovese beteiligt sind. Er befreundet sich mit führenden Köpfen der Familie Colombo. Als die Situation in
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