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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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Mitarbeiter einer Firma, die exotische Früchte importiert, zwischen den Bananen 310 Kilo Kokain, die für den Straßenverkauf bestimmt waren. Der Trick mit den Bananen ist ein Klassiker. Alles muss den Anschein von Normalität haben, und was ist normaler als eine Ladung Obst aus einem Tropenparadies. Oder eine Ladung Kartons mit Tonerkartuschen. Alles ordnungsgemäß, alles reine Routine, nur dass die Tonerkartuschen gewöhnlich aus Asien nach Deutschland geliefert werden und die Sendung, die Ende August 2013 auf dem Flughafen Köln-Bonn eintraf, aus Südamerika kam und für Afrika und Asien bestimmt war. Der Verdacht bestätigte sich, als in der Lieferung mehr als fünf Kilo
    Kokain sichergestellt wurden. Eine Überraschung, aber kein Blitz aus heiterem Himmel, denn kurz zuvor hatte der Zoll desselben Flughafens einen weiteren Treffer gelandet. Diesmal war die Ware in Bandspulen mit Nylonschnur und in Trommelbremsen versteckt. Die Frage bleibt stets dieselbe: Warum? Warum wird das Bewusstsein, in einem Mafialand zu leben, durch all diese Ereignisse nur für einen kurzen Moment wachgerüttelt, obwohl sich die vielen kleinen Warnsignale inzwischen zu einem schrillen Alarm summieren, den man partout ignorieren will?
    Wenn man mit nur drei Kilo Kokain 180 000 Euro verdienen kann, warum sollte man sich dann nicht damit auf die A 30 wagen, die Deutschland mit den Niederlanden verbindet? Das müssen sich ein Holländer und seine junge venezolanische Ehefrau im Juni 2013 gedacht haben, als sie beschlossen, drei Kilo Kokain in das benachbarte Deutschland zu transportieren, um etwas Geld fürs Alter zurückzulegen.
    Warum? Warum sagt niemand laut, dass Deutschland für die Mafiaorganisationen ein Eldorado ist?
    Ohne eine wirklich freie Berichterstattung wird nie ein echtes Problembewusstsein und damit auch nie eine wirkliche Antimafiakultur entstehen. Denn wie kann man etwas bekämpfen, das man gar nicht kennt? Wenn die Deutschen nicht angemessen informiert werden, werden sie sich weiter gegen die Infiltration durch die Mafia immun fühlen. Und je mehr sie sich immun fühlen, desto ungestörter werden die Mafiaorganisationen agieren können und Deutschland weiter aufkaufen, wie sie es schon seit Jahren tun. Die Mafia in Deutschland hat ihre Strategie geändert. Sie verzichtet auf Pistolen und Gewehre und kommt mit Koffern voller Geld. Sie hat die Spielregeln akzeptiert, bezahlt pünktlich ihre Steuern und zeigt
    Unternehmergeist. Sie engagiert sich im Geschäftsleben und demonstriert Bürgersinn. Die Mafiosi in Deutschland sind vorbildliche Staatsbürger, die einen rechtschaffenen Lebensstil pflegen, ohne zu vergessen, dass die wichtigsten Regeln die Regeln der Heimat sind. Sie sind multinational organisiert mit einer Geschäftsführung in Süditalien und Tochtergesellschaften in der ganzen Welt.
    Doch wenn die Mafia in Deutschland fruchtbaren Boden gefunden hat, dann verdankt sie dies auch dem Umstand, dass im deutschen Strafrecht der Straftatbestand der Zugehörigkeit zu einer mafiaartigen Vereinigung fehlt. Das rückständige Italien verfügt seit 1982 über dieses Instrument, um dort zuzuschlagen, wo sich alles konzentriert und seine Bestimmung findet: beim Geld. In Italien können Vermögenswerte einer Person, die der Zugehörigkeit zu einer mafiaartigen Vereinigung verdächtig ist, präventiv so lange eingefroren werden, bis der Verdächtige den Beweis erbringt, dass es sich nicht um illegal erworbenes Vermögen handelt. Dem Mafioso werden Knüppel zwischen die Beine geworfen, bevor er einen weiteren Schritt tun kann. In Deutschland können italienische Staatsanwälte erst seit 2009 die Beschlagnahmung von Mafiavermögen erwirken, seitdem auf Ersuchen der EU ein Gesetz verabschiedet wurde, das die von den Justizbehörden eines anderen Staates angeordnete Beschlagnahme und Einziehung mafioser Vermögenswerte anerkennt.
    Gesetzeslücken, das Verbot umfassender Abhörmaßnahmen, ein rigider Datenschutz. In der 2013 vom Tax Justice Network erstellten Liste der wichtigsten Steueroasen nimmt Deutschland Platz acht ein, noch vor Bahrein, den Britischen Jungferninseln, Bermuda und Panama. Deutschland hat es wieder einmal geschafft, das Klischee umzukehren, und die Ersten, die
    dies begriffen haben, waren die italienischen Mafiosi. Was für eine Erleichterung, eine gigantische Geldwaschanlage nur wenige Kilometer vor der eigenen Haustür entdeckt zu haben. Laut deutschen Ermittlern werden Jahr für Jahr 50 bis 60 Milliarden

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